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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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schen jeweils zu gegenwärtigen Zeiten in sie hineingelegt und selbstbewusst in politischen<br />

Kämpfen verwirklicht wird. 102 Dieser Paradigmenwechsel ist die zweite (notwendige) Korrektur<br />

des Geschichtsbegriffs, <strong>der</strong> zugleich die Begründung <strong>der</strong> kritischen <strong>Theorie</strong> ausmacht,<br />

wenngleich Wesentliches schon bei Marx angelegt ist. Eine weitere wesentliche Korrektur<br />

wird noch folgen, die hauptsächlich von Adorno in seiner »Negativen Dialektik«, durch Benjamin<br />

inspiriert, aufgrund <strong>der</strong> Erfahrung von Auschwitz als mo<strong>der</strong>ne Katastrophe unternommen<br />

wird, sich aber bereits schon in <strong>der</strong> zusammen mit Horkheimer verfassten »Dialektik <strong>der</strong><br />

Aufklärung« aufgrund <strong>der</strong> zugespitzten Eskalation <strong>der</strong> faschistischen Verhältnisse, jedoch<br />

noch ohne die Erfahrung von Auschwitz, als Radikalisierung <strong>der</strong> Vernunftkritik, gleichsam<br />

als Negativwerden des Geschichtsbegriffs, ankündigt.<br />

<strong>Krise</strong> des Kapitalismus<br />

Spätestens seit 1929 waren die »Goldenen Zwanziger« vorbei. Eine Kapital- und Finanzkrise<br />

bis dato ungeahnten Ausmaßes griff um sich, <strong>der</strong>en Auslöser eine Überproduktion von Konsumgütern<br />

und Erzeugnissen aus <strong>der</strong> Agrarwirtschaft gewesen war. Die <strong>Krise</strong> verursachte<br />

einen folgenschweren volkswirtschaftlichen Einbruch in allen Industrienationen. Insolvenzen<br />

von Unternehmen, Massenarbeitslosigkeit und Deflation waren die Folgen. Aufgrund <strong>der</strong><br />

sprunghaft zugenommenen Interdependenzen <strong>der</strong> Nationalökonomien sowie <strong>der</strong> Kapital- und<br />

Finanzströme entwickelte sich die <strong>Krise</strong> in kürzester Zeit zu einer Weltwirtschaftskrise. In<br />

vielen westlichen Industrielän<strong>der</strong>n entstanden faschistische Bewegungen o<strong>der</strong> wurden autoritäre<br />

Regime installiert. In Deutschland erstarkte <strong>der</strong> Nationalsozialismus zwischen 1929<br />

und 1932 <strong>der</strong>art rasant, dass die drei autoritären Präsidialkabinette von Heinrich Brüning,<br />

Franz von Papen und Kurt von Schleicher bis zur Machtübertragung an Adolf Hitler 1933<br />

den Untergang <strong>der</strong> Weimarer Republik markierten: einer demokratischen Republik ohne Demokraten.<br />

Es war die Strategie <strong>der</strong> »konservativen Revolution«, einer Gegenrevolution, die<br />

proletarischen Massen durch einen autoritären Staat zurückzuhalten und somit den bürgerlichen<br />

Machterhalt zu gewährleisten. Als das nicht mehr funktionierte, die <strong>Krise</strong>ndynamik<br />

auch für den autoritären Staat nicht mehr zu händeln war, <strong>der</strong> Klassenkampf zwischen Kommunisten<br />

und Faschisten auf <strong>der</strong> Straße immer härter ausgetragen wurde und bürgerkriegsähnliche<br />

Zustände angenommen hatte, schwenkten die herrschenden Eliten zur zweiten<br />

option <strong>der</strong> konservativen Revolution um: auf den autoritären Volksstaat, gleichsam die pseudodemokratische<br />

Einbindung <strong>der</strong> Massen. 103 Sie öffneten dem Faschismus die Tore zur Macht<br />

102 Die Frage <strong>der</strong> Teleologie und des evolutiven Automatismus <strong>der</strong> Geschichte verän<strong>der</strong>t mithin auch die Frage nach<br />

dem »subjektiven Faktor«. – Siehe nochmals Bloch: Das Prinzip Hoffnung, Bd. 1, S. 168 f.<br />

103 »Die terroristischen Diktaturen des Faschismus waren die historische Lösung des Kapitals gegen die Gefahr, die<br />

ihm aus <strong>der</strong> Arbeiterbewegung dieser Gebiete erwuchsen: In einem Klima zunehmen<strong>der</strong> Gegensätze zwischen<br />

den imperialistischen Staaten sollten sie jede Spur proletarischen Wi<strong>der</strong>standes und proletarischer Unabhängigkeit<br />

unterdrücken.« – An<strong>der</strong>son: Über den westlichen Marxismus, S. 38 f. – Siehe auch Stefan Breuer: Anatomie <strong>der</strong><br />

Konservativen Revolution, Darmstadt 1995; Rainer Rotermundt: Jedes Ende ist ein Anfang. Auffassungen vom<br />

Ende <strong>der</strong> Geschichte, Darmstadt 1994.<br />

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