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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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die Philosophie selbst, während bei Kant eben Kritik die Bestimmung <strong>der</strong> Möglichkeit von<br />

einer zeitlich auf diese erst folgende Philosophie meint. Unsere These ist, dass nicht nur Marxens<br />

Projekt einer Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie in <strong>der</strong> Tradition des Hegelschen rekonstruktionstheoretischen<br />

Projektes zu verorten ist, son<strong>der</strong>n dass auch die <strong>Kritische</strong> <strong>Theorie</strong><br />

genau diesem Hegelschen Gedankengang folgt.<br />

Die erste Phase <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Kritische</strong>n <strong>Theorie</strong> kann – und dies ist Konsens innerhalb<br />

<strong>der</strong> Forschung – als Projekt eines interdisziplinären Materialismus gekennzeichnet<br />

werden. Dazu gehörten Untersuchungen zur Ökonomie (Grossmann, Pollock, Wittfogel),<br />

zum Recht (Neumann, Kirchheimer), zu den verschiedenen Kultursphären (Adorno, Benjamin,<br />

Kracauer, Löwenthal) – sowie insbeson<strong>der</strong>e zur Sozialpsychologie und Psychoanalyse<br />

(Fromm). Ausgeklammert blieben die Naturwissenschaften und die auf diese bezogenen philosophischen<br />

Disziplinen, weil – so Horkheimers Zeitdiagnose – Fragen und Probleme mit<br />

Bezug auf Natur und Naturwissenschaft gegenwärtig (um 1930) von geringerer Bedeutung<br />

seien. Daher sollte eine Sozialphilosophie, <strong>der</strong>en Umrisse Horkheimer in seiner Antrittsrede<br />

als Institutsdirektor skizzierte, den integrativen Rahmen des interdisziplinären Materialismus<br />

ausformulieren.<br />

Die vielfältigen, sicherlich auch, aber nicht nur zeitgeschichtlich bedingten Gründe, die<br />

zur Aufgabe dieses Projektes geführt haben, können hier nicht untersucht werden. Festzuhalten<br />

ist aber, dass eine Weiterführung <strong>der</strong> <strong>Kritische</strong>n <strong>Theorie</strong> im Zusammenhang <strong>der</strong> Kritik<br />

<strong>der</strong> politischen Ökonomie bis heute (trotz <strong>der</strong> sogenannten Neuen Marx-Lektüre) nicht mehr<br />

erfolgte. Eine Weiterführung <strong>der</strong> rechtstheoretischen Probleme findet einmal in <strong>der</strong> Tradition<br />

von Habermas, zum an<strong>der</strong>en etwa durch Sonja Buckel statt. Dagegen wurden die sozialpsychologischen<br />

und psychoanalytischen Forschungen produktiv weiterentwickelt über Erich<br />

Fromm (und erst recht über Herbert Marcuse) hinaus zunächst durch Alexan<strong>der</strong> Mitscherlich<br />

sowie durch Alfred Lorenzer und Klaus Horn. Zugleich ist aber festzuhalten, dass mit dem<br />

Tod von Horn 1985 und Lorenzer 2002 diese Forschungsprogramme abgebrochen wurden.<br />

Insofern wird im Folgenden nur <strong>der</strong> bisher erreichte Stand skizziert, <strong>der</strong> unseres Erachtens<br />

dringend aufgegriffen und weiterentwickelt werden muss.<br />

Zur Ermittlung von Bewusstseinsformen in <strong>Krise</strong>nsituationen<br />

Suchen wir im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Kritische</strong>n <strong>Theorie</strong> nach Ansätzen, die sich mit Bewusstseinsformen<br />

in <strong>Krise</strong>nsituationen beschäftigen, sind vor allem die drei Untersuchungen zu nennen,<br />

die während mehrerer Jahrzehnte aufeinan<strong>der</strong> aufbauend weiterentwickelt wurden.<br />

In den Jahren 1929/1930 wurde vom Frankfurter Institut für Sozialforschung die Studie<br />

»Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches« durchgeführt. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

Erich Fromm trieb diese Untersuchung energisch voran. Da <strong>der</strong> Mangel an Wi<strong>der</strong>standskraft<br />

<strong>der</strong> deutschen Arbeiterparteien in krassem Gegensatz zu ihrer numerischen Stärke stünde,<br />

sei, so Fromm, nach <strong>der</strong> Übereinstimmung von »Persönlichkeit und Parteiprogramm« zu fra-<br />

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