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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Sie wird durch die inneren Konflikte dieses Systems, dessen Reife und Überreife für die Ablösung<br />

durch die neue Gesellschaftsordnung, den Sozialismus, vorangetrieben.« 77<br />

Generell kann man für diesen Zeitraum – <strong>der</strong> Trend setzt sich fort – verzeichnen, dass zunehmend<br />

die Wechselwirkung zwischen Ökonomie und an<strong>der</strong>en gesellschaftlichen Bereichen<br />

mit <strong>der</strong> ökonomischen <strong>Krise</strong>nanalyse verbunden wird. Dies zeigt sich etwa in den regulationstheoretischen<br />

Vorstellungen Michel Agliettas, Alain Lipietz, Robert Boyers und an<strong>der</strong>en.<br />

Die Internationale Politische Ökonomie (IPÖ) untersucht seit den 1970er Jahren die Verknüpfung<br />

ökonomischer und politischer <strong>Krise</strong>n unter hegemonietheoretischem Gesichtspunkt.<br />

– Robert W. Cox und Stephen Gill analysieren unter diesem Gesichtspunkt die <strong>Krise</strong><br />

<strong>der</strong> US-Hegemonie. Heinz-Jürgen Bieling und Frank Deppe untersuchten mit dem Marburger<br />

IPÖ-Ansatz als »neogramscianisch erweiterte Regulationstheorie« die Prozesse <strong>der</strong> europäischen<br />

Integration seit den 1980er Jahren. Ausgehend von linkskeynesianischen Vorstellungen<br />

untersucht die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Memorandum-Gruppe) ab 1975<br />

wirtschaftliche Entwicklungstendenzen und entwickelt regulatorische wirtschaftspolitische<br />

Vorschläge zur Abdämpfung negativer konjunktureller Bewegungen mit starker orientierung<br />

auf die Stärkung <strong>der</strong> Binnennachfrage, auf aktive Beschäftigungspolitik sowie den Ausbau<br />

sozialer Sicherung.<br />

Tendenziell entwickelt sich die <strong>Krise</strong>ntheorie nach 1970 bis heute wie<strong>der</strong> in zunehmendem<br />

Maße als Teil <strong>der</strong> Reproduktionstheorie. Vor allem die manifeste Verknüpfung verschiedener<br />

<strong>Krise</strong>nprozesse, über die zyklischen Bewegungen hinaus, mit den ökologischen Wi<strong>der</strong>sprüchen:<br />

die sich in <strong>der</strong> ungerechten Weltwirtschaftsordnung, in <strong>der</strong> Ernährungskrise und an<strong>der</strong>en<br />

globalen Prozessen zeigende Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit des fortschreitenden Vergesellschaftungsprozesses,<br />

rückt die Totalität des Problems wie<strong>der</strong> stärker ins Zentrum des Interesses.<br />

Allerdings ist damit wie<strong>der</strong>um offensichtlich die Neigung verbunden, die Spezifik <strong>der</strong> Wirtschaftskrisen<br />

zu unterschätzen und das <strong>Krise</strong>ngeschehen auf seine katastrophischen und politischen<br />

Momente zu verkürzen.<br />

Dieser fortzusetzende und zu vertiefende Ausflug in das Feld <strong>der</strong> theoretischen Auffassungen<br />

zu wirtschaftlichen <strong>Krise</strong>nprozessen als kritische <strong>Theorie</strong> <strong>der</strong> Politischen Ökonomie soll<br />

lehren, dass jegliche Undifferenziertheit und Vereinseitigung in theoretische, vor allem aber<br />

politische Sackgassen führt. <strong>Krise</strong>ntheoretische Auffassungen sind dann entwicklungsfähig<br />

und nachhaltig politisch wirksam, wenn sie im Marxschen Sinne dialektisch sind, sich mit<br />

den gesellschaftlichen Wi<strong>der</strong>sprüchen bewegen und die Totalität des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses<br />

zum Bezugspunkt nehmen. Tun sie dies nicht, werden sie dem Anspruch<br />

<strong>der</strong> Dialektik radikaler Kritik nicht gerecht – sie sind in diesem Falle we<strong>der</strong> eine Kritik <strong>der</strong><br />

bürgerlichen Auffassungen noch eine tragfähige Kritik <strong>der</strong> Praxis.<br />

77 Institut für Internationale Politik und Wirtschaft: Allgemeine <strong>Krise</strong> des Kapitalismus. Triebkräfte und Erscheinungsformen<br />

in <strong>der</strong> Gegenwart, Berlin 1976, S. 30. – Das Buch selbst verbleibt auf einer Seite des eingefor<strong>der</strong>ten<br />

dialektischen Herangehens: auf <strong>der</strong> Seite des Nie<strong>der</strong>gangs.<br />

70

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