Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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die allgemeinen Lebensverhältnisse <strong>der</strong>art, dass auch die sogenannte Freizeit von <strong>der</strong> Kapitallogik<br />
erfasst wird. Standardisierungen und Stereotypisierungen bestimmen eine Kultur als<br />
»whole way of life«. 41 Die kritische <strong>Theorie</strong> diagnostiziert das als einen Prozess <strong>der</strong> Kommodifizierung,<br />
durch den tendenziell alle Kultur zur Ware wird.<br />
Damit dringt nicht nur <strong>der</strong> Markt in die Kultur ein, bzw. findet nicht nur eine Kommerzialisierung<br />
<strong>der</strong> Kultur statt; durch das Zur-Ware-Werden <strong>der</strong> Kultur verän<strong>der</strong>t sich Kultur<br />
selbst dahingehend, dass sie nicht länger ideologisch funktioniert, das heißt sich die gesellschaftliche<br />
<strong>Krise</strong> nicht mehr so ohne weiteres ideologisch kaschieren lässt. Was in diesem<br />
Sinne als »Kulturkrise« bezeichnet wird, schlägt allerdings auf die ökonomischen Faktoren<br />
<strong>der</strong> Kulturproduktion zurück:<br />
»Ihre Ideologie bedient sich vor allem des von <strong>der</strong> individualistischen Kunst und ihrer<br />
kommerziellen Exploitation erborgten Starsystems. Je entmenschlichter ihr Betrieb und ihr<br />
Gehalt, um so emsiger und erfolgreicher propagiert sie angeblich große Persönlichkeiten und<br />
operiert mit Herztönen. Industriell ist sie mehr im Sinn <strong>der</strong> soziologisch vielfach beobachteten<br />
Angleichung an industrielle organisationsformen auch dort, wo nicht fabriziert wird – zu erinnern<br />
ist an die Rationalisierung des Bürobetriebs –, als dass wirklich und eigentlich technologisch-rational<br />
produziert würde. Demgemäß sind auch die Fehlinvestitionen <strong>der</strong> Kulturindustrie<br />
erheblich und stürzen ihre jeweils durch neuere Techniken überholten Branchen in<br />
<strong>Krise</strong>n, die selten zum Besseren führen.« 42<br />
Mit <strong>der</strong> Kulturindustrie rutscht die Ideologie in die Produktionsverhältnisse. »Die Realität,<br />
in <strong>der</strong> wir leben, diese uns aufgedrängte antagonistische Realität tendiert dazu, zu ihrer eigenen<br />
Ideologie zu werden.« 43 Das hat für die Konstitutionsbedingungen von Subjektivität<br />
nachhaltig Folgen: Die Wi<strong>der</strong>sprüche laufen nicht mehr hinter dem Rücken <strong>der</strong> Menschen,<br />
son<strong>der</strong>n durch sie hindurch und definieren sie – wesentlich (im Sinne des »Ensembles <strong>der</strong><br />
gesellschaftlichen Verhältnisse« 44 ) nicht mehr als Bürger o<strong>der</strong> Proletarier, son<strong>der</strong>n als Konsumenten.<br />
Die noch von Lukács für die 1920er Jahre konstatierte geschichtliche Kraft des<br />
Klassenbewusstseins ist ausgehebelt. In <strong>der</strong> Dynamik <strong>der</strong> <strong>Krise</strong> setzt sich die »Dialektik <strong>der</strong><br />
Aufklärung« unmittelbar in den materiellen Lebensverhältnissen fort, in einer allgemeinen<br />
»Ästhetisierung <strong>der</strong> Politik« verschmelzen Basis und Überbau; die sogenannte Kulturkrise<br />
wird zur Sinnkrise des gesellschaftlichen Gesamtzusammenhangs. Deshalb sprechen Adorno<br />
und Horkheimer in Hinblick auf die Kulturindustrie von »Aufklärung als Massenbetrug«: 45<br />
41 Vgl. Thomas Stearns Eliot: Notes Toward the Definition of Culture, London 1948, S. 31. – Später hat Raymond<br />
Williams diese Formulierung in »Culture and Society. 1780–1950« (1958) berühmt gemacht.<br />
42 Adorno: Résumé über Kulturindustrie, in: <strong>der</strong>s.: GS, Bd. 10.1, S. 340.<br />
43 Adorno: Philosophische Elemente einer <strong>Theorie</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft, in: <strong>der</strong>s.: Nachgelassene Schriften, Abteilung<br />
IV: Vorlesungen, Bd. 12, hrsg. von Tobias ten Brink, Marc Phillip Nogueira, Frankfurt am Main 2008, S. 207.<br />
44 Vgl. Marx: Thesen über Feuerbach, S. 6.<br />
45 So <strong>der</strong> Untertitel des Kulturindustrie-Abschnitts in <strong>der</strong> »Dialektik <strong>der</strong> Aufklärung«.<br />
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