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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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pitalismus gehört, und insofern nicht auf einzelne »wirtschaftliche« <strong>Krise</strong>n, »Handelskrisen«<br />

usw. reduzierbar ist: 17 Die <strong>Krise</strong> ist Systemkrise. Die Kritik richtet sich deshalb nicht auf die<br />

innerökonomischen Zusammenhänge, son<strong>der</strong>n auf die gesellschaftlichen Verhältnisse als konkrete<br />

Totalität, weil von diesen <strong>Krise</strong>n Leben und Überleben von Menschen abhängen. Marx<br />

und Engels haben das schon im »Manifest <strong>der</strong> kommunistischen Partei« klar herausgestellt:<br />

»Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wie<strong>der</strong>kehr immer<br />

drohen<strong>der</strong> die Existenz <strong>der</strong> ganzen bürgerlichen Gesellschaft infrage stellen. In den Handelskrisen<br />

wird ein großer Teil nicht nur <strong>der</strong> erzeugten Produkte, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> bereits geschaffenen<br />

Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den <strong>Krise</strong>n bricht eine gesellschaftliche Epidemie<br />

aus, welche allen früheren Epochen als ein Wi<strong>der</strong>sinn erschienen wäre – die Epidemie <strong>der</strong><br />

Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei<br />

zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel<br />

abgeschnitten zu haben«. 18<br />

Marx analysiert in seiner »Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie« den Kapitalismus als immanent<br />

krisenhaft: Mit den »wirklichen mo<strong>der</strong>nen <strong>Krise</strong>n«, so Marx gegen »Ricardo und<br />

seine ganze Schule«, entlädt sich <strong>der</strong> »Wi<strong>der</strong>spruch des Kapitals (…) in großen Ungewittern<br />

(…), die mehr und mehr es selbst als Grundlage <strong>der</strong> Gesellschaft und Produktion selbst bedrohen«.<br />

19 Die in <strong>Krise</strong>n sich ausdrückenden Wi<strong>der</strong>sprüche gehören zum Wesen des Kapitalismus<br />

– sie verweisen auf seinen »finalen Telos«; 20 jedoch zeigen sie sich eben nicht permanent,<br />

son<strong>der</strong>n »periodisch (…) bald mehr nebeneinan<strong>der</strong> im Raum, bald mehr<br />

nacheinan<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Zeit«. 21 Mithin erscheinen die <strong>Krise</strong>n immer nur als »momentane gewaltsame<br />

Lösungen <strong>der</strong> vorhandenen Wi<strong>der</strong>sprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte<br />

Gleichgewicht für den Augenblick wie<strong>der</strong>herstellen«. 22<br />

Die Wi<strong>der</strong>sprüche des Kapitals 23 bleiben indes abstrakt. Sie werden nur in <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Lebenswelt auch als <strong>Krise</strong> erfahrbar, nämlich in <strong>der</strong> medizinischen wie dramaturgischen<br />

Überbietungsmetaphorik als Sinnkrise, wonach sie ein als Weltverlust und Entfremdung emp-<br />

17 Davon grenzen sich Marx und Engels bereits in <strong>der</strong> Polemik gegen Max Stirner ab. – Vgl. Karl Marx, Friedrich<br />

Engels: Die deutsche Ideologie, in: MEW, Bd. 3, S. 102 ff., S. 258 ff.<br />

18 Karl Marx, Friedrich Engels: Das Manifest <strong>der</strong> kommunistischen Partei, in: MEW, Bd. 4, S. 467 f. sowie S. 470:<br />

»Die wachsende Konkurrenz <strong>der</strong> Bourgeois unter sich und die daraus hervorgehenden Handelskrisen machen den<br />

Lohn <strong>der</strong> Arbeiter immer schwanken<strong>der</strong>; die immer rascher sich entwickelnde, unaufhörliche Verbesserung <strong>der</strong><br />

Maschinerie macht ihre ganze Lebensstellung immer unsicherer; immer mehr nehmen die Kollisionen zwischen<br />

dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter von Kollisionen zweier Klassen an.« – Vgl.<br />

auch dies.: Die deutsche Ideologie, S. 456 f.<br />

19 Karl Marx: Grundrisse <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie, in: MEW, Bd. 42, S. 324.<br />

20 Vgl. Franz Schandl: Die <strong>Krise</strong> bei Marx. Zu hinterlassende Notate einer exegetischen Häresie, www.trend.infopartisan.net<br />

[tinyurl.com/3nk28j2], 1. Juli 2011.<br />

21 Karl Marx: Das Kapital. Dritter Band, in: MEW, Bd. 25, S. 259.<br />

22 Ebenda<br />

23 Vgl. zum Topos Wi<strong>der</strong>spruch des Kapitals, i. e. tendenzieller Fall <strong>der</strong> Profitrate: Ebenda, S. 257 ff., z. B. S. 260:<br />

»Die wahre Schranke <strong>der</strong> kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: (…) dass die Produktion nur<br />

Produktion für das Kapital ist und nicht umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für eine stets sich erweiternde<br />

Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft <strong>der</strong> Produzenten sind.«<br />

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