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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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ten 1920er Jahren <strong>der</strong> ordoliberalismus, die sogenannte Freiburger Schule, die noch einmal<br />

eine eigene Note in den Umgang mit dem <strong>Krise</strong>nproblem in das bürgerliche ökonomische<br />

Denken bringt. Auch hier ist, in opposition zu Keynes, das natürlich gegebene (Markt-)<br />

Gleichgewicht <strong>der</strong> Ausgangspunkt. Störungen des Gleichgewichts resultieren aus Störungen<br />

<strong>der</strong> Wettbewerbsordnung. Die Wahrung <strong>der</strong> Wettbewerbsordnung, so etwa Walter Eucken,<br />

führt zum Gleichgewicht. 50 Die <strong>Krise</strong> ist damit, wie auch in an<strong>der</strong>en Strömungen, kein Thema<br />

mehr. Zwar gebe es durchaus endogene Ursachen für so etwas wie <strong>Krise</strong>n, zum Beispiel die<br />

Unvollkommenheit des Geld- und Kreditsystems – dies sei aber letztlich aus fehlerhaftem<br />

Handeln des Staates abzuleiten, so Wilhelm Röpcke im Jahr 1942. 51 Viele dieser Auffassungen<br />

fließen im Konzept <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft zusammen. Soziale Marktwirtschaft,<br />

so Alfred Müller-Armack 1946, sei eine in bestimmten Grenzen gelenkte Marktwirtschaft,<br />

in <strong>der</strong> vernünftige Lenkung und Rahmensetzung <strong>Krise</strong>n verhin<strong>der</strong>e. 52 Unter dem Begriff <strong>der</strong><br />

Sozialen Marktwirtschaft entwickelt sich in <strong>der</strong> alten Bundesrepublik allerdings eine Konzeption,<br />

in <strong>der</strong> die Ursprungsideen stark von keynesianischen Ansätzen überlagert werden.<br />

Karl Schiller praktizierte, ausgehend von dem Vorsatz, Wettbewerb und Stabilität zu verbinden,<br />

mit <strong>der</strong> Globalsteuerung einen ausgesprochen pragmatischen Regulierungsansatz, 53 <strong>der</strong><br />

allerdings <strong>Krise</strong>n in dieser Zeit nicht verhin<strong>der</strong>n konnte. Herbert Ehrenberg und otto Schlecht<br />

versuchten, die Globalsteuerung durch Strukturpolitik zu ergänzen. 54 Hier fließen auch Vorstellungen<br />

ein, die ihren Ausgangspunkt in den krisentheoretischen Debatten um die Wende<br />

zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t haben und dann vor allem von <strong>der</strong> SPD nach 1918 und den mit ihr verbundenen<br />

Gewerkschaften weitergetragen werden. Ein wichtiger Bezugspunkt ist dabei Rudolf<br />

Hilferding. Er untersuchte 1910 neue Erscheinungen im <strong>Krise</strong>nverlauf unter den Bedingungen<br />

<strong>der</strong> Herrschaft des Finanzkapitals. 55 Ab Mitte <strong>der</strong> 1920er Jahre vertrat er das Konzept<br />

eines »organisierten Kapitalismus«. 56 Ähnlich verhielt es sich mit Fritz Tarnow und Franz<br />

Naphtali. Nach Tarnow sind <strong>Krise</strong>n dem Kapitalismus immanent, aber die Zeit für einen Umbruch<br />

sei noch nicht gekommen. 57 Dementsprechend begründete er auf dem Parteitag <strong>der</strong><br />

50 Vgl. Walter Eucken: Die Grundlagen <strong>der</strong> Nationalökonomie, Enzyklopädie <strong>der</strong> Rechts- und Staatswissenschaft,<br />

Abteilung Staatswissenschaft, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong 1989,<br />

S. 180-187.<br />

51 Vgl. Wilhelm Röpke: Die Gesellschaftskrisis <strong>der</strong> Gegenwart, Bern, Stuttgart 1979, S. 196-199.<br />

52 Siehe exemplarisch Alfred Müller-Armack: Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, München 1990, S. 98 ff.<br />

53 Einen guten Überblick dazu bietet Arne Heise: Karl Schillers »verspäteter« Keynesianismus. Zur politischen Ökonomie<br />

des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von 1967, in: Berliner Debatte INITIAL 19, 2008, 1/2, S. 130-143,<br />

zu finden auch auf <strong>der</strong> Plattform www.linksnet.de [tinyurl.com/3bkpfd7].<br />

54 Vgl. zu den konzeptionellen Grundlagen Herbert Ehrenberg: Zwischen Marx und Markt: Konturen einer infrastrukturorientierten<br />

und verteilungswirksamen Wirtschaftspolitik, München 1976.<br />

55 Vgl. Rudolf Hilferding: Das Finanzkapital. Eine Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus, Berlin<br />

1947, S. 322 ff.<br />

56 Hilferding führt den Begriff 1915 ein; ausführlich setzt er sich mit dem »organisierten Kapitalismus« 1927 auseinan<strong>der</strong>.<br />

– Siehe Rudolf Hilferding: Die Aufgaben <strong>der</strong> Sozialdemokratie in <strong>der</strong> Republik. Hilferding auf dem Parteitag<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratie zu Kiel Mai 1927, Berlin o. J., S. 3 f.<br />

57 Vgl. Fritz Tarnow: Kapitalistische Wirtschaftsanarchie und Arbeiterklasse. Referat, gehalten auf dem Leipziger<br />

Parteitag <strong>der</strong> S. P. D. am 1. Juni 1931, Berlin o. J., S. 19-21.<br />

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