Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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litischer Ökonomie – Staat, Gewalt, Herrschaft etc. – zu reflektieren: 51 »Bescheidwissen«, 52<br />
Verschwörungstheorien, stupide, bestenfalls weltanschaulich verkleidete Phrasen haben sich<br />
längst auch in den akademischen Diskursen durchgesetzt. <strong>Theorie</strong>moden und eine Art journalistischer<br />
Medienidiotismus bestimmen die Ansichten über Politik und Konzerne, über<br />
Großindustrie und kleine Vertriebswirtschaft, über Gut und Böse, über Arbeitswille und Faulheit,<br />
über die Reichen und die Armen.<br />
Im Spektakel <strong>der</strong> Popkultur spiegelt sich die <strong>Krise</strong>, die sich in <strong>der</strong> Verfestigung <strong>der</strong> ökonomischen<br />
Verhältnisse strukturell fortsetzt, schließlich immer wie<strong>der</strong> als Chance. So wird<br />
ein Kapitalismus bestätigt, bei dem nicht nur eine innovative Kultur einer maroden Wirtschaft<br />
auf die Sprünge helfen soll, son<strong>der</strong>n – wie seit Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre zu beobachten ist – die<br />
<strong>Krise</strong> selbst zum initialen Impuls <strong>der</strong> sogenannten Creative Industries wird. Gerade die erweiterte<br />
Kulturproduktion (und das meint: nicht nur »Kultur machen« im Sinne von Musizieren,<br />
Fotografieren, Regiearbeit, Gestalten, Malen, Striptease, Circus-Akrobatik etc., son<strong>der</strong>n<br />
die offensive »kulturelle Aufwertung« von unterschiedlichsten Berufen, Tätigkeiten und<br />
insbeson<strong>der</strong>e prekären Jobs) bietet die Möglichkeit, die individuellen <strong>Krise</strong>nlösungen offensiv<br />
als kreativ-künstlerischen Selbstentwurf zu inszenieren. Die <strong>Krise</strong> wird verinnerlicht, an die<br />
Subjekte weitergegeben. Betriebswirtschaftlich zeigt sich das daran, dass die Bewältigung<br />
<strong>der</strong> <strong>Krise</strong>n zum Problem <strong>der</strong> Beschäftigten wird. Wolfgang Menz und Nick Kratzer sprechen<br />
von einer Verschiebung <strong>der</strong> »Produktions- zur Reproduktionskrise«, wodurch sich eine »Internalisierung<br />
des Marktes« vollzieht. 53 Die »systematische Überlastung« (als entscheidendes<br />
Charakteristikum <strong>der</strong> <strong>Krise</strong>) <strong>der</strong> Wirtschaft wird zur Sache <strong>der</strong> Beschäftigten, auch über das<br />
Arbeitsverhältnis hinaus: beruflicher Leistungsdruck muss mit dem Privatleben auf »Vereinbarkeit«<br />
überprüft werden, was die Individuen zum permanenten »Selbstmanagement« verpflichtet.<br />
Für viele Beschäftigten ist »immer <strong>Krise</strong>«, 54 das heißt, die <strong>Krise</strong> dehnt sich strukturell<br />
aus und schreibt sich in das Alltagsleben ein, wird zum Bestandteil individueller<br />
Erfahrung.<br />
Kultur hat dabei nicht mehr nur eine bloß entlastende Aufgabe, son<strong>der</strong>n ist Bühne für die<br />
Selbstinszenierungen des Subjekts. Folgte die Popkultur noch bis in die 1980er Jahre hinein<br />
dem therapeutischen Modell medizinisch-psychologischer Abfe<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Individuen in Kri-<br />
51 Vgl. Richard Detje, Wolfgang Menz, Dieter Sauer, Sarah Nies: <strong>Krise</strong> ohne Konflikt? Interessen- und Handlungsorientierungen<br />
im Betrieb – die Sicht von Betroffenen, Hamburg 2011, S. 136: »Wenn die Realwirtschaft zunehmend<br />
von einer ›fiktiven‹ Ökonomie gesteuert wird, wird es schwierig, die realen Handlungsmöglichkeiten auszuloten.<br />
Die <strong>Krise</strong> entschwindet dem augenscheinlichen Nahbereich, stellt sich ursächlich nicht mehr in<br />
überquellenden Lagern dar, son<strong>der</strong>n maßgeblich nur noch in <strong>der</strong> Folge falsch gelaufener Finanzmarktgeschäfte<br />
und den daraus resultierenden Restriktionen für die Unternehmen. Die Mystifikation <strong>der</strong> kapitalistischen Produktionsweise<br />
wird in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Geldkapitalakkumulation noch gesteigert. Die Frage, was und wann <strong>Krise</strong> ist und<br />
wo die Ursachen liegen, ist in einer Zeit, in <strong>der</strong> das wirtschaftliche Leben von den Finanzmärkten geprägt ist, noch<br />
mysteriöser als im Falle von Konjunkturkrisen.«<br />
52 Vgl. Horkheimer, Adorno: Dialektik <strong>der</strong> Aufklärung, S. 181, S. 235 f.<br />
53 Vgl. Menz und Nick Kratzer, www.isf-muenchen.de [tinyurl.com/4xkluq8], 01.07.2011.<br />
54 Vgl. Detje, Menz, Sauer, Nies: <strong>Krise</strong> ohne Konflikt?, S. 137.<br />
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