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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Angst, aber auch Ressentiments. 39 In den 1920er Jahren, also <strong>der</strong> ersten vom mo<strong>der</strong>nen Warenkonsum<br />

bestimmten Dekade, geriert sich aber auch paradox eben diese, zunehmend von<br />

<strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise gezeichnete Gesellschaft als Stätte <strong>der</strong> Zuflucht und des Vergnügens:<br />

nämlich in den Angeboten und Versprechen einer fortschreitenden Kommodizifierung. Die<br />

Mangelkrisen transformieren sich zu Absatzkrisen. Die Konsequenz dieser <strong>Krise</strong>ndynamik<br />

ist die Kulturindustrie.<br />

IV<br />

»Einzig, wenn <strong>der</strong> Gesamtzustand prinzipiell sanktioniert, nicht als<br />

wi<strong>der</strong>spruchsvoll vorgestellt wird, läßt Allgemeinverbindlichkeit<br />

als kulturelle Norm sich aufrichten; einzig wenn Kultur bestätigen soll,<br />

was ist, hat sie dem Kriterium <strong>der</strong> Harmonie zu gehorchen. Daher soll<br />

unbeirrtes Denken sich von grandiosen Phrasen über Kulturkrise nicht<br />

einlullen lassen. Der Begriff <strong>der</strong> <strong>Krise</strong> läßt sich nicht von <strong>der</strong> Ökonomie<br />

auf die Kultur übertragen. Ziel wäre eine krisenlose Gesellschaft, nicht<br />

eine krisenlose Kultur; und jener kann heute ihr ästhetisches Recht bloß<br />

in kritischer Kunst werden. Die Herstellung eines spannungslosen<br />

Zustands des Bewußtseins, und von Produkten, die diesem entsprechen,<br />

würde nur die Verblendung verstärken.«<br />

Theodor W. Adorno 40<br />

Die <strong>Krise</strong>nlogik bestimmt das wi<strong>der</strong>sprüchliche Wesen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne. Seit den 1920er Jahren<br />

sind auch die Entwicklungen, die unter dem Begriff <strong>der</strong> Kulturindustrie zusammengefasst<br />

werden können, inhärent durch die kapitalistische <strong>Krise</strong> charakterisiert. So wie sich in <strong>der</strong><br />

zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts die Entwicklung <strong>der</strong> Massenkultur adäquat, gleichsam<br />

in krisendynamisch-antagonistischer Weise zur Entwicklung des Industriekapitalismus und<br />

Imperialismus vollzogen hat, ist die Kulturindustrie, als gesellschaftliche Totalität, immanenter<br />

Ausdruck <strong>der</strong> Strukturkrise <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne im Übergang vom Hochkapitalismus zum<br />

Spätkapitalismus.<br />

Mit dem Begriff <strong>der</strong> Kulturindustrie, den Adorno und Horkheimer in ihrer Gemeinschaftsarbeit<br />

»Dialektik <strong>der</strong> Aufklärung« Anfang <strong>der</strong> 1940er Jahre entwickelten, begreift die kritische<br />

<strong>Theorie</strong> die spezifische Struktur <strong>der</strong> kapitalistischen Gesellschaft in ihrer fordistischen<br />

Phase: Die in <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft als »Kultur« bezeichnete Sphäre hat zu Beginn<br />

des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, insbeson<strong>der</strong>e seit den 1920er Jahren eine Verallgemeinerung erfahren,<br />

wonach <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Kapitalismus mit seinen Rationalisierungs- und Kalkulationsverfahren<br />

vollständig auf das Alltagsleben übergreift. Durch die Konsumgesellschaft, die sich mit den<br />

1920er und 30er Jahren – maßgeblich in den Vereinigten Staaten – entfaltet, verän<strong>der</strong>n sich<br />

39 Vgl. Helmut Lethen: Neue Sachlichkeit 1924–1932. Studien zur Literatur des »Weißen Sozialismus«, Stuttgart<br />

1970, S. 156 ff.<br />

40 Adorno: Die gegängelte Musik, in: <strong>der</strong>s.: GS, Bd. 14, S. 53 f.<br />

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