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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Ausdruck dieses Neuansatzes waren in <strong>der</strong> DDR die Arbeiten Fred oelßners, Jossif Adolfowitsch<br />

Trachtenbergs o<strong>der</strong> Lew Abramovitsch Mendelsons in <strong>der</strong> Sowjetunion. Mendelsohn<br />

untersuchte die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gestalt des <strong>Krise</strong>nzyklus nach dem Zweiten Weltkrieg,<br />

vor allem den Zusammenhang zwischen <strong>Krise</strong>nverlauf und Krieg. Er griff damit faktisch die<br />

Varga-Diskussion wie<strong>der</strong> auf. Insbeson<strong>der</strong>e bei oelßner zeigt sich die anhaltende grundsätzliche<br />

Skepsis von Politikern und Ideologen gegenüber einer wissenschaftlich fundierten <strong>Krise</strong>nanalyse<br />

in den 1950er Jahren. 76 Die Tradition <strong>der</strong> Zusammenbruchserwartungen waren<br />

offensichtlich so stark, dass selbst die Darstellung <strong>der</strong> historischen <strong>Krise</strong>nverläufe in einem<br />

streng an Marx orientierten Sinne Unsicherheit und Denkverbote auslöste.<br />

Wie bereits aufgezeigt, spielten für die Ausdifferenzierung <strong>der</strong> <strong>Krise</strong>nauffassungen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in den Gegebenheiten und die daraus resultierenden Handlungserfor<strong>der</strong>nisse <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Bewegungen eine wichtige Rolle. Der ausbleibende automatische Zusammenbruch<br />

des Kapitalismus, <strong>der</strong> praktische Beweis, dass er fähig ist, Wi<strong>der</strong>sprüche zu lösen, blieb erklärungsbedürftig.<br />

Der Kapitalismus hatte nicht nur die Weltwirtschaftskrise von 1929 und<br />

den Folgejahren, son<strong>der</strong>n auch den Zweiten Weltkrieg sowie diverse ökonomische <strong>Krise</strong>n danach<br />

überstanden. Die offensichtlich stärker werdende Rolle des Staates auf <strong>der</strong> einen und <strong>der</strong><br />

Unternehmenspolitik <strong>der</strong> Großkonzerne auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite bei <strong>der</strong> Regulierung des Konjunkturverlaufes<br />

bestimmten vor allem in den 1960er und 1970er Jahren die Entwicklung <strong>der</strong><br />

in diesem Strang zu betrachtenden <strong>Krise</strong>nkonzeptionen. In den 1970er und 1980er Jahren gewinnen<br />

krisentheoretische Betrachtungen zu den Machtverschiebungen zwischen den USA,<br />

Westeuropa und Japan an Gewicht. Es wird noch erkennbar werden, dass bestimmte Grundansätze<br />

<strong>der</strong> <strong>Krise</strong>nerklärung: Unterkonsumtion, Zusammenbruchserwartung o<strong>der</strong> Disproportionalität<br />

dabei immer wie<strong>der</strong> auftauchen. So kommen Paul A. Baran und Paul Sweezy bei<br />

<strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> Rolle des Monopolkapitals zu <strong>der</strong> Schlussfolgerung, dass mit <strong>der</strong> wachsenden<br />

Aneignung von Mehrwert bei den Monopolen die Unterkonsumtion <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Bereiche<br />

zu einer wichtigen <strong>Krise</strong>nursache werde. Entsprechend <strong>der</strong> Profit-Squeeze-Theory von<br />

Bob Sutcliffe und Andrew Glyn werden die zyklischen <strong>Krise</strong>n aus <strong>der</strong> Macht <strong>der</strong> Arbeiterklasse<br />

und dem daraus resultierenden Druck auf die Profitrate erklärt. Ernest Mandel kritisiert<br />

die Unterkonsumtions- wie auch die Disproportionalitätstheorie und versucht eine Synthese,<br />

indem er, anknüpfend an Marx, betont, dass in <strong>der</strong> <strong>Krise</strong> alle Wi<strong>der</strong>sprüche zur Eskalation<br />

kommen. Das Forschungsprogramm <strong>der</strong> <strong>Krise</strong>ntheoretiker in <strong>der</strong> DDR ist letztlich von <strong>der</strong><br />

Analyse <strong>der</strong> Wechselwirkungen von zyklischer <strong>Krise</strong>, allgemeiner <strong>Krise</strong> und Entfaltung des<br />

staatsmonopolistischen Kapitalismus sowie <strong>der</strong> Analyse von Verän<strong>der</strong>ungen im Verlauf des<br />

Konjunkturzyklus bestimmt. Darin wird die allgemeine <strong>Krise</strong> so gefasst:<br />

»Sie ist die umfassende Systemkrise des nie<strong>der</strong>gehenden Kapitalismus und umfasst alle<br />

Seiten des gesellschaftlichen Lebens, die Wirtschaft, die Politik, die Ideologie und die Kultur.<br />

76 Vgl. Fred oelßner: Die Wirtschaftskrisen, Berlin 1955; im Internet auch auf <strong>der</strong> Seite des Instituts für Gesellschaftsanalyse<br />

(IfG) <strong>der</strong> <strong>Rosa</strong>-<strong>Luxemburg</strong>-<strong>Stiftung</strong>: ifg.rosalux.de [tinyurl.com/62vfvqv[ 06.06.2011.<br />

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