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Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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<strong>Krise</strong>n »einzig und allein in <strong>der</strong> Planlosigkeit, <strong>der</strong> Anarchie, <strong>der</strong> kapitalistischen Produktionsweise,<br />

welche zeitweise die Proportionalität <strong>der</strong> Produktion stört« 63 , ihren Grund hätten.<br />

Die Kritik Kautskys richtet sich gegen das »einzig und allein« sowie die Aussparung an<strong>der</strong>er<br />

Ursachen. Es sei an dieser Stelle dahingestellt, inwieweit seine eigene Darstellung <strong>der</strong> krisentheoretischen<br />

Aussagen Marxens tragfähig ist. 64 Jedenfalls machte Kautsky sehr schnell<br />

klar, warum er in dieser Art auf den Beitrag Tugan-Baranowskis reagiert: Dessen Einschränkung<br />

<strong>der</strong> <strong>Krise</strong>nursachen auf den Aspekt <strong>der</strong> Disproportionalität bedeutete angesichts <strong>der</strong><br />

gleichzeitig sich verbreitenden These, dass Kartelle die Konkurrenz und damit die Anarchie<br />

des Marktes beschränken, letztlich die Behauptung <strong>der</strong> Möglichkeit eines krisenfreien Kapitalismus.<br />

Im Unterschied zu Tugan-Baranowski betrachtete Kautsky zu diesem Zeitpunkt<br />

die neueren Entwicklungen, wie eben die Kartelle, als Momente wi<strong>der</strong>sprüchlicher und krisenhafter<br />

Bewegung des Kapitalverhältnisses.<br />

Auf die Ansichten Tugan-Baranowskis antwortete Kautsky, Bernstein positionierte sich<br />

im revisionistischen Sinne, <strong>Luxemburg</strong> untersuchte die Fragen in ihrem ökonomischen<br />

Hauptwerk »Die Akkumulation des Kapitals«, 65 das wie<strong>der</strong>um <strong>der</strong> Debatte einen neuen Schub<br />

gab. Sie antwortete ihren Kritikern in Form einer »Antikritik« 66 . In den 1920er Jahren kritisierte<br />

Nikolai Bucharin wie<strong>der</strong>um <strong>Luxemburg</strong> und die in ihrem Werk durchaus angelegte<br />

These eines automatischen Zusammenbruchs. Die Diskussion, inwiefern sie mit ihrer Kritik<br />

<strong>der</strong> Marxschen Reproduktionsschemata die Abhängigkeit des Kapitalismus von nichtkapitalistischen<br />

Bereichen nachgewiesen hat, läuft bis heute. Diese Diskussion ist nie entschieden<br />

worden und ist wahrscheinlich auch nicht entscheidbar, weil <strong>der</strong> Bezugspunkt: die Reproduktionsschemata,<br />

dafür eigentlich ungeeignet erscheinen. Ihr Charakter als Produkt eines<br />

Modellierungsvorganges dürfte hier maßgeblich sein. Der von <strong>Luxemburg</strong> gewählte Weg<br />

<strong>der</strong> Kritik an Marx und des Kapitalismus schließt die Totalität des Reproduktionsprozesses<br />

aus. Marx selbst schrieb mit Bezug auf die Reproduktionsschemata:<br />

»Die Tatsache, daß die Warenproduktion die allgemeine Form <strong>der</strong> kapitalistischen Produktion<br />

ist, (…) erzeugt gewisse, dieser Produktionsweise eigentümliche Bedingungen des<br />

normalen Umsatzes, also des normalen Verlaufes <strong>der</strong> Reproduktion, sei es auf einfacher, sei<br />

es auf erweiterter Stufenleiter, die in ebenso viele Bedingungen des anormalen Verlaufs,<br />

Möglichkeiten von <strong>Krise</strong>n umschlagen, da das Gleichgewicht – bei <strong>der</strong> naturwüchsigen Gestaltung<br />

dieser Produktion – selbst ein Zufall ist.« 67<br />

Marx betont desweiteren, dass die Verschlingung eigentlich unabhängiger Zirkulationsprozesse<br />

des Kapitals den anormalen Verlauf zum normalen macht. 68 Wie auch in an<strong>der</strong>en<br />

63 Ebenda, S. 110.<br />

64 Man beachte dazu Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung <strong>der</strong> Wissenschaft, S. 257 f.<br />

65 <strong>Luxemburg</strong>: Die Akkumulation des Kapitals, S. 6-411.<br />

66 <strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong>: Die Akkumulation des Kapitals o<strong>der</strong> Was die Epigonen aus <strong>der</strong> Marxschen <strong>Theorie</strong> gemacht<br />

haben, in: dies.: Gesammelte Werke, Bd. 5, S. 413-523.<br />

67 Karl Marx: Das Kapital. Zweiter Band, in: MEW 24, S. 490 f.<br />

68 Vgl. ebenda, S. 491.<br />

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