Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Fällen, etwa <strong>der</strong> Bewertung des Gesetzes vom tendenziellen Fall <strong>der</strong> Profitrate, ist hier innerhalb<br />
<strong>der</strong> Marxschen Tradition ein Herangehen erkennbar, das Marx nicht gerecht wird.<br />
Außerdem lässt die Ausdeutung <strong>der</strong> Schemata viel Raum für eigene Intentionen <strong>der</strong> Autoren,<br />
die nicht unbedingt <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Wirklichkeit, oft aber ideologischen Vorannahmen entsprechen.<br />
Dies wird dann bei zwei weiteren Theoretikern deutlich: Mit Henryk Grossmann<br />
und Fritz Sternberg traten gegen Ende <strong>der</strong> 1920er Jahre Theoretiker auf den Plan, die – teils<br />
in Kritik, teils in Anschluss an <strong>Luxemburg</strong> – eher zur Zusammenbruchsthese neigten. Dies<br />
wurde politisch-ideologisch durch die eingangs bereits erwähnte Position Stalins untermauert.<br />
Allerdings muss betont werden, dass <strong>Luxemburg</strong> selbst, wie auch die an<strong>der</strong>en genannten<br />
Theoretiker, nie den Automatismus des Zusammenbruchs im Wortsinne vertreten haben. Die<br />
Umwälzung war vor allem für <strong>Luxemburg</strong> immer das Werk <strong>der</strong> aktiv handelnden Arbeiterklasse.<br />
Wenn jemand Automatismen eingeführt hat, waren das Eduard Bernstein und seine<br />
Anhänger, die in viel weitergehendem Maße diesen Automatismus in <strong>der</strong> evolutiven Transformation<br />
des Kapitalismus in den Sozialismus sahen.<br />
Aus diesen Diskussionen entwickelte sich, wie schon erwähnt, in die 1920er Jahre hinein<br />
die Vorstellung eines planbaren Kapitalismus, in dem die Macht <strong>der</strong> Monopolunternehmen<br />
eine krisenhafte Entwicklung vermeiden könne (Linie Hilferding über Tarnow zu Naphtali).<br />
Teilweise mit starkem, verbalem Bezug auf Marx wird diese Auffassung von <strong>der</strong> <strong>Krise</strong> zu<br />
einer wichtigen Begründung für die Wirtschaftspolitik und darüber hinaus auch für die Gesellschaftspolitik<br />
<strong>der</strong> SPD über die 1920er Jahre hinaus, auch wenn sich <strong>der</strong> Bezug auf Marx<br />
dann verliert. Hier wird <strong>der</strong> Bruch im ökonomischen Denken zwischen den sich bereits vor<br />
dem Ersten Weltkrieg herausbildenden Strömungen <strong>der</strong> klassischen Arbeiterbewegung signifikant.<br />
Demgegenüber vertrat Wladimir Lenin die Auffassung, dass mit <strong>der</strong> Konzentration und<br />
Zentralisation des Kapitals die krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus keinesfalls aufhört.<br />
Er kommt, ausgehend von Hilferding, entsprechend zu analytisch fundierten an<strong>der</strong>en Schlussfolgerungen.<br />
69 Er sieht in <strong>der</strong> Monopolisierung und <strong>der</strong> damit gegebenen höheren organisiertheit<br />
innerhalb <strong>der</strong> Unternehmen den Keim zunehmenden Konkurrenzkampfes. Dieser<br />
werde durch die Verflechtung von Staat und Monopolen nicht aufgehoben. Vielmehr reproduzieren<br />
sich die <strong>Krise</strong>nursachen auf erweiterter Stufenleiter und in neuer Weise. Im Rahmen<br />
<strong>der</strong> von ihm entwickelten Richtung <strong>der</strong> Imperialismustheorie stehen schließlich viele <strong>Krise</strong>nuntersuchungen,<br />
vor allem aber ab den 1970er Jahren, gleichsam als <strong>Theorie</strong> des staatsmonopolistischen<br />
Kapitalismus.<br />
Mit Beginn <strong>der</strong> 1920er Jahre trat neben diese Debatte eine Linie linker Konjunkturforschung,<br />
die vor allem durch Eugen Varga vorangetrieben wurde. Mit den von 1922 bis 1939<br />
erscheinenden Vierteljahresberichten zu Wirtschaft und Wirtschaftspolitik (Internationale<br />
Presse-Korrespondenz – Inprekor) wurde, ausgehend von <strong>der</strong> durchaus berechtigten Erkennt-<br />
69 Vgl. W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, in: <strong>der</strong>s.: Werke, Bd. 22, S. 189-309.<br />
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