Kritische Theorie der Krise - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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en austrägt. Zu untersuchen wäre, welchen Stellenwert dies in <strong>der</strong> Herstellung gesellschaftlicher<br />
Synthese einnimmt und inwiefern sich auf den verschiedenen Ebenen die Anpassung<br />
des Individuums an das Allgemeine zunehmend als reine Subsumtion darstellt. Die drei groben<br />
Tendenzen <strong>der</strong> Gegenwart: die Autoritarisierung des Staates inklusive <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung<br />
des Verhältnisses von Individuum und Staat, die Reartikulation des Nationalen sowie die<br />
Desorganisation <strong>der</strong> Kritik 66 ergeben zusammen die zu untersuchende Konstellation, in <strong>der</strong><br />
sich die Affirmation des Gesellschaftlich-Naturwüchsigen darstellt. Darin ist die gegenwärtige<br />
Ausformung rassistischer und antisemitischer Ressentiments in gesellschaftlicher Praxis<br />
zu bestimmen. Um die gegenwärtige Situation zu erfassen, reicht es daher nicht aus, einen<br />
Zusammenhang von <strong>Krise</strong> und gesellschaftlicher Ausgrenzung zu konstatieren. Vielmehr<br />
muss die Gesamtkonstellation <strong>der</strong> <strong>Krise</strong>nbewältigung in den Blick genommen werden – aus<br />
einer befreiungstheoretischen Perspektive, die es vermag, den gesellschaftlich naturwüchsigen<br />
Leidenszusammenhang zu durchschauen und dazu beizutragen, <strong>der</strong> einzigen Antwort<br />
auf die herrschende und prozessierende Unvernunft zur Verwirklichung zu helfen: <strong>der</strong> bewussten<br />
Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesellschaft, die eben keine »Beschleunigung des Fortschritts«<br />
mehr, »son<strong>der</strong>n de[n] Sprung aus dem Fortschritt heraus« 67 bedeutet.<br />
66 Mit Desorganisation <strong>der</strong> Kritik ist nun zweierlei gemeint: zum einen, wie es im Wortlaut anklingt, die Umorganisation<br />
<strong>der</strong> Bildungseinrichtungen und das Verdrängen kritischer Ansätze aus den Wissenschaften, zum an<strong>der</strong>en<br />
aber auch die Desorganisation <strong>der</strong> Lohnabhängigen. Selbst wenn letztere auch organisiert nicht zwingend Kritik<br />
im hier verwendeten Sinne üben müssen, so ist dies dennoch ein wichtiger Faktor in <strong>der</strong> Durchsetzbarkeit spezifischer<br />
<strong>Krise</strong>nlösungsversuche, seien dies Lohnkürzungen o<strong>der</strong> die Abkopplung <strong>der</strong> ALG 2-Bedürftigen als Überflüssige.<br />
– Siehe hierzu auch den Beitrag von Tatjana Freytag in diesem Band.<br />
67 Horkheimer: Autoritärer Staat, S. 307.<br />
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