Didaktische Dimensionen der Erwachsenenbildung - Deutsches ...
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hen, <strong>der</strong> ihm nicht bewußt ist. Er ist ein Konsument von Interpretationen dieser<br />
Sozialdaten, <strong>der</strong>en Stellenwert er nicht einschätzen kann. Der Konsument<br />
merkt, daß in <strong>der</strong> Gesellschaft etwas vorgeht, aber was das genau ist, kann<br />
er nicht erkennen. So kann er auch nicht entscheiden, ob das, wovon er merkt,<br />
daß es geschieht, ihn betrifft bzw. betreffen wird o<strong>der</strong> nicht. Verallgemeinernd<br />
läßt sich sagen: Soziale Probleme werden in stärkerem Maße gespürt und<br />
erlitten als bewußt wahrgenommen. Auch handfeste Konflikte werden nicht<br />
in ihrer sozialen Verflochtenheit, son<strong>der</strong>n in ihrer situativen Begrenztheit wahrgenommen.<br />
Erklärungen für das, was passiert ist, o<strong>der</strong> Begründungen für das,<br />
was angesichts von Konflikten zu tun wäre, bestehen daher aus einer Mischung<br />
von unbegründbaren Vorstellungen und rational schwer nachvollziehbaren<br />
Gedankenfetzen. Deren Funktion für das einzelne Individuum besteht offenbar<br />
darin, angesichts für undurchschaubar gehaltener sozialer Interdependenzen<br />
Erklärungen verfügbar zu haben, die es erlauben, das eigene Denken, Fühlen<br />
und Wollen mit dem sozialen Geschehen in Übereinstimmung zu halten.<br />
Der Bürger X handhabt eine „naive Verhaltenstheorie“ (3). Sie ermöglicht es<br />
ihm, sowohl zu konsumieren als auch zu handeln.<br />
Angesichts dieser Situationsdarstellung könnte <strong>der</strong> Eindruck entstehen, als ob<br />
das Gesagte für den Didaktiker nicht zutrifft. In <strong>der</strong> Tat hat er die Möglichkeit,<br />
auf die ihm bekannten und in diesem Zusammenhang relevanten Wissenschaften<br />
zurückzugreifen. Diese übliche Vorgehensweise löst aber das Problem <strong>der</strong><br />
Darstellungs- und Handlungsebene nicht. Angemessener dürfte es sein, wenn<br />
<strong>der</strong> Didaktiker erst einmal davon ausgeht, daß er sich als Konsument von<br />
Sozialdaten in genau <strong>der</strong>selben Situation befindet, wie <strong>der</strong> angenommene Bürger<br />
X. Welches <strong>der</strong> Stellenwert seines Wissens und möglicherweise seiner Erfahrungen<br />
sein kann, ist eine erst später klärbare Frage.<br />
An dieser Stelle <strong>der</strong> Überlegungen kann versucht werden, Ansatzpunkte und<br />
Vorgehensweisen didaktischer Reduktion im sozialwissenschaftlichen Bereich<br />
zu entwickeln.<br />
Auszugehen ist von <strong>der</strong> feststellbaren Diskrepanz zwischen dem handelnden<br />
Umgehen mit sehr komplexen sozialen Interdependenzen einerseits und dem<br />
Angewiesensein auf individuell erfahrbare und im individuellen Handeln umsetzbare<br />
Sozialdaten an<strong>der</strong>erseits. Diese Diskrepanz ist etwas, was <strong>der</strong> Fachbereichsleiter<br />
als Didaktiker als Bewußtsein in seinem Kopf hat. Was er nicht<br />
leisten kann, ist die Deduktion, das stufenweise Vereinfachen, ausgehend von<br />
den hochkomplexen Interdependenzen hin zu den individuell erfahrbaren,<br />
einfach erscheinenden sozialen Sachverhalten. Mit <strong>der</strong> hochkomplexen sozialen<br />
Interdependenz kann also nicht als verfügbarem Faktum, son<strong>der</strong>n nur<br />
als angenommenem Sachverhalt umgegangen werden. Ein verfügbares Faktum<br />
stellen demgegenüber diejenigen sozialen Interdependenzen dar, die in <strong>der</strong><br />
unmittelbaren Reichweite von Individuen angesiedelt sind, von denen <strong>der</strong><br />
Lebenszusammenhang einzelner o<strong>der</strong> mehrerer Individuen direkt beeinflußt<br />
wird. Faßbar wird also eine Ebene objektiver Sachverhalte, die sich unterschei-