Didaktische Dimensionen der Erwachsenenbildung - Deutsches ...
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Sofern diese drei genannten Aufgaben dem Lernen von Erwachsenen vor- und<br />
aufgegeben sind und hier trotz ihrer mehr etikettenhaften Nennung akzeptiert<br />
werden können, hat eine didaktische Theorie bevorzugt die sozialwissenschaftlichen<br />
Wissensbestände auszuwählen und für unterrichtliches Handeln verbindlich<br />
zu ordnen, die diesen Aufgaben gerecht werden.<br />
Da jedoch diese Aufgaben keineswegs sich harmonisch ergänzend, son<strong>der</strong>n<br />
eher sich bekämpfend verwirklicht werden können, ist nochmals eine Wertentscheidung<br />
unter diesen drei Aufgaben zugunsten einer für unterrichtliches Handeln<br />
leitenden Aufgabe zu treffen. Diese Leitfunktion kommt <strong>der</strong> letzten Aufgabe,<br />
<strong>der</strong> Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung zu. Diese ist aber gerade<br />
nicht die Leitaufgabe gesellschaftlichen und staatlichen Handelns, die im<br />
Interesse des Kollektivs und <strong>der</strong> für ein Kollektiv gültigen Mechanismen gesetzt<br />
werden muß.<br />
So sicher also gesellschaftliche Bedingungen im Unterricht wirksam sind, so<br />
sicher ist auch, daß Unterricht und Gesellschaft nicht nach <strong>der</strong> gleichen Rangfolge<br />
von Werten strukturiert sein können und sollen. Sie sind gegensätzlich<br />
insofern aufeinan<strong>der</strong> zu beziehen, als z. B. das gesellschaftliche Interesse,<br />
qualifizierte und überqualifizierte Erwachsene zur Sicherung von Arbeitsverhältnissen<br />
verfügbar zu haben, im Interesse des Unterrichts distanziert reflektiert<br />
werden muß (da zur Identitätsentwicklung das Bewußtwerden <strong>der</strong> konkreten<br />
gesellschaftlichen Einbindung des Individuums gehört) und nur entsprechend<br />
den Kriterien dieser Reflexion durchgesetzt werden darf.<br />
Gesellschaftliches Handeln ist so gleichzeitig Beweggrund wie Gegenstand<br />
unterrichtlichen Handelns. In dieser Gleichzeitigkeit liegt <strong>der</strong> konstruktive<br />
Wi<strong>der</strong>spruch: Unterricht wird konstituiert durch gesellschaftliche Notwendigkeiten<br />
und Zwänge und ist so Handlanger <strong>der</strong> den Unterricht übergreifenden<br />
gesellschaftlichen Interessen. Unterricht richtet jedoch gleichzeitig eine kritische<br />
Distanz zwischen dem lernenden Erwachsenen und seiner Gesellschaft<br />
auf und kann so Verän<strong>der</strong>er gesellschaftlicher Zustände werden.<br />
Das Unterscheidende aber zwischen unterrichtlichem und gesellschaftlichem<br />
Handeln – und nicht das Übereinstimmende – ist zum Angelpunkt didaktischer<br />
Theorie zu machen. Und dieser Angelpunkt ist die individuumorientierte Identitätsentwicklung.<br />
Diese wenigen, eher unterrichtsphilosophischen Überlegungen, die von den skizzierten<br />
Wertvorstellungen getragen werden, lassen sich durchaus in Kriterien für<br />
die Struktur didaktischer Theorien und die Art <strong>der</strong> Übernahme sozialwissenschaftlicher<br />
Wissensbestände entfalten. Drei solcher Kriterien möchte ich angeben.<br />
1. Jede didaktische Theorie muß dem lernenden Erwachsenen Handlungsspielräume<br />
gegenüber dem expliziten und impliziten Curriculum (Unterrichtsinhalte,<br />
Ziele, Verfahren) einräumen.<br />
2. Jede didaktische Theorie muß dem lernenden Erwachsenen ein Werturteil,<br />
Handlungsspielräume und auch Einschränkungsmöglichkeiten gegenüber<br />
äußeren Qualifizierungsnotwendigkeiten und auch bei ihm selbst vorhandenen<br />
Qualifizierungsinteressen erlauben.