Walter Johannes Steins
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einsehen, daß dasjenige, was der Sinnenwelt, was dem «Gegebenen»<br />
zugrunde liegt, selbst nicht mehr gegeben sein<br />
kann. Dies wissen natürlich Philosophen so gut wie Naturwissenschafter.<br />
Und eben deshalb, weil sie es wissen, sprechen<br />
die Philosophen hier von Erkenntnisgrenzen und die<br />
Naturwissenschafter bilden hier ihre Hypothesen. Aber liegt<br />
in diesem Fall eine Erkenntnisgrenze vor? Keineswegs. Eine<br />
Grenze ist schon da, nämlich die Grenze der Erkenntnis des<br />
g e w ö h n l i c h e n Bewußtseins, das an die Sinne und an das<br />
Gehirn als seine Instrumente gewiesen ist. Die Welt, welche<br />
der Sinnenwelt zugrunde liegt, erweist sich eben als eine für<br />
das g e w ö h n l i c h e Bewußtsein unerlebbare, d. h. sie erweist<br />
sich als übersinnliche Welt.<br />
Man steht, wenn man über das Unerlebbare Hypothesen<br />
spinnt, auf dem mehr oder minder durchschauten Standpunkt<br />
des Tastsinnes. Eine vorurteilsfreie Betrachtung der<br />
Tastwahrnehmung ergibt nämlich, daß die b e s o n d e r e A r -<br />
t u n g dieses Sinnes darin besteht, daß durch ihn nur Subjektives<br />
erlebt wird, und dieses Subjektive an der Grenze des<br />
äußeren Objektes seine eigene Grenze findet. Für sich liefert<br />
daher der Tastsinn nur Erlebnisse innerhalb des Leibes und<br />
alles, was durch ihn als [101] Inhalt des Wahrgenommenen<br />
erlebt wird, ist unbewußt erschlossen. (Durch unberechtigtes<br />
Ausdehnen dessen, was für den Tastsinn richtig ist, auf<br />
die anderen Sinne, sind eben die mangelhaften Erkenntnistheorien<br />
Lockes der modernen Physiologen usw. entstanden.)<br />
Indem man an die Erkenntnisgrenze anstößt, tastet man die<br />
übersinnliche Welt 111 ). Nun aber entsteht die Frage, ob man<br />
die übersinnliche Welt bloß tasten kann. Solange man darüber<br />
nicht hinauskommt und an der Erkenntnisgrenze<br />
rückwärts muß, wie ein Krebs, solange kommt man aus dem<br />
gewöhnlichen Bewußtsein nicht heraus und in die übersinnliche<br />
Welt hinein. Daß es eine übersinnliche Welt gibt, das<br />
kann man jetzt wissen, denn man stößt sich ja an ihr. Aber<br />
111 R. Steiner, «Von Seelenrätseln», S. 29. «Das Gewahrwerden solcher<br />
Grenzen wird der Seele zu einem Erlebnis, das sich vergleichen läßt mit<br />
dem Tast-Erlebnis auf dem sinnlichen Gebiete.»<br />
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