Walter Johannes Steins
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überall richtig, sondern nach einer Bemerkung Rudolf Steiners<br />
36 ) gibt es ein ganzes Gebiet, wo der Nominalismus<br />
am Platze ist. Überall da, wo keine Metamorphose wechselnder<br />
Gestalten, deren Formen fließend ineinander übergehen,<br />
sich darlebt, überall, wo wie im Gebiet der Zahl das nächste<br />
aus dem früheren hervorgeht, nicht durch einen lebendigen<br />
Prozeß, sondern durch ein Hinzutun – also im weiten Gebiet<br />
des Unlebendigen –, da ist der Nominalismus am Platze. In<br />
seiner Kritik der Lockeschen und Berkeleyschen Fehler, die<br />
sie in ihrer Lehre von den Allgemeinbegriffen machen, sagt<br />
Husserl: «Man bringt es nicht über sich, die Denkakte als<br />
das zu nehmen, als was sie sich rein phänomenologisch darstellen,<br />
sie somit als völlig neuartige Aktcharaktere gelten zu<br />
lassen, als neue ‹Bewußtseinsweisen› gegenüber der direkten<br />
Anschauung 37 ).» Aber Husserl kommt, obwohl er so etwas<br />
fühlt, wie [32] daß man über das gewöhnliche Bewußtsein<br />
hinaus muß, um den Allgemeinbegriff wirklich zu finden,<br />
nicht über das gewöhnliche Bewußtsein hinaus. Um den Unterschied<br />
klar zu machen, der zwischen den beiden Denkern<br />
Husserl und Steiner besteht, will ich zwei Buchstellen gegenüberhalten.<br />
Husserl sagt 38 ) «Wiederholen wir oder irgendwelche andere<br />
Personen denselben Satz mit gleicher Intention, so hat<br />
jede ihre Phänomene, ihre Worte und Verständnismomente.<br />
Aber gegenüber dieser unbegrenzten Mannigfaltigkeit individueller<br />
Erlebnisse ist das, was in ihnen ausgedrückt ist,<br />
36 Vier Vorträge, a. a. O. zweiter Vortrag (Berlin, 21. Januar 1914). «Das<br />
aber, was ich gestern gesagt habe, daß man, um den allgemeinen Begriff zu<br />
finden, das Entsprechende in Bewegung übergehen lassen soll, kann man<br />
bei dem Begriffen Zahl» nicht machen. Denn die Eins geht nie in die Zwei<br />
über, man muß immer Eins dazugeben. Auch nicht im Gedanken geht die<br />
Eins in die Zwei über, die Zwei in die Drei auch nicht. Es existieren nur<br />
e i n z e l n e Zahlen, nicht die Zahl «im allgemeinen». Für das, was in den<br />
Zahlen vorhanden ist, ist der Nominalismus absolut richtig; für das, was so<br />
vorhanden ist, wie das einzelne Tier gegenüber seiner Gattung, ist der Realismus<br />
absolut richtig.»<br />
37 «Logische Untersuchungen», Bd. II, 1. Teil, S. 182.<br />
38 « Logische Untersuchungen», Bd. II, 1. Teil, S. 99<br />
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