Walter Johannes Steins
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fallen, dem ähnlich, der entstünde, [64] wenn man das Samenkorn<br />
nur chemisch untersuchte auf seinen Nahrungswert<br />
hin und in dem Ergebnis dieser Untersuchung das innere<br />
Wesen des Samenkorns finden wollte. Die hier charakterisierte<br />
Geisteswissenschaft sucht diese Täuschung zu<br />
vermeiden, indem sie die selbsteigene innere Wesenheit des<br />
seelischen Erlebens offenbar machen will, das auf seinem<br />
Wege a u c h in den Dienst der Erkenntnis treten kann, ohne<br />
in dieser b e t r a c h t e n d e n E r k e n n t n i s seine ureigentliche<br />
Natur zu haben.»<br />
Von den beiden Quellen aller Täuschung.<br />
Goethe sagte einmal über Kant, der Grundirrtum Kants<br />
bestehe darin, daß dieser «das subjektive Erkenntnisvermögen<br />
selbst als Objekt betrachtet und den Punkt, wo subjektiv<br />
und objektiv zusammentreffen, zwar scharf, aber nicht ganz<br />
richtig sondert 82 ).»<br />
Für Goethe ist alles Subjektive, d. h. alles Gesonderte<br />
erst ein Sekundäres, Abgeleitetes. Ein Gesondertes, so wie es<br />
ist, zum Gegenstand der Betrachtung, zum Objekt zu machen,<br />
ohne auf das Allgemeine hinzuweisen, dessen Besonderung<br />
man in einem gegebenen Subjektiven vor sich hat,<br />
erscheint ihm verfehlt. In diesem Sinne sagt er in dem Aufsatz<br />
«Analyse und Synthese», der zuerst 1833 in den nachgelassenen<br />
Werken gedruckt ist: «Die Hauptsache, woran man<br />
bei ausschließlicher Anwendung der Analyse nicht zu denken<br />
scheint, ist, daß jede Analyse eine Synthese voraussetzt<br />
… Eine große Gefahr, in welche der Analytiker gerät, ist deshalb<br />
die, wenn er seine Methode da anwendet, wo keine Synthese<br />
zugrunde liegt 83 ).»<br />
Gesonderte Elemente zu einer Einheit zu verbinden, dies<br />
erscheint Goethe nur dann erlaubt, wenn diese Einheit nicht<br />
künstlich hergestellt wird, sondern den gesonderten Elemen-<br />
82 Weimarische Goetheausgabe, 2. Abt., Bd. XI, S. 376 (aus dem Nachlasse<br />
Goethes).<br />
83 Goethes Werke (Kürschners Deutsche National-Lit.), Bd. XXXIV, S.61.<br />
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