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Walter Johannes Steins

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eines intellectus archetypus, eines intuitiven [66] Verstandes<br />

–, dem es gegeben wäre, den Zusammenhang von Begriff und<br />

Wirklichkeit bei den organischen Wesen geradeso wie bei den<br />

Anorganen einzusehen, allein dem Menschen selbst sprach<br />

er die Möglichkeit eines solchen Verstandes ab. Der menschliche<br />

Verstand soll nämlich nach Kant die Eigenschaft haben,<br />

daß er sich die Einheit, den Begriff einer Sache nur als<br />

hervorgehend aus der Zusammenwirkung der Teile – als<br />

durch Abstraktion gewonnenes analytisches Allgemeine –<br />

denken kann, nicht aber so, daß jeder einzelne Teil als der<br />

Ausfluß einer bestimmten konkreten (synthetischen) Einheit,<br />

eines Begriffes in intuitiver Form erschiene. Daher ist es diesem<br />

Verstande auch unmöglich, die organische Natur zu erklären,<br />

denn diese müßte ja aus dem Ganzen in die Teile<br />

wirkend gedacht werden. Kant sagt darüber: «Unser<br />

Verstand hat also das Eigene für die Urteilskraft, daß ihm<br />

Erkenntnis durch denselben, durch das Allgemeine, das Besondere<br />

nicht bestimmt wird und dieses also von jenem<br />

nicht abgeleitet werden kann 86 ).» 1886 erschienen Rudolf<br />

Steiners «Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen<br />

Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller».<br />

In dem zwölften Abschnitt dieser Schrift führt Steiner<br />

seinen Kampf weiter. Er sagt dort: «Daß die Idee eine Vielheit<br />

von Verstandesbegriffen auf eine Einheit zurückführt, das<br />

hat auch schon Kant ausgesprochen. Er hat jedoch die Gebilde,<br />

die durch die Vernunft zur Erscheinung kommen, als<br />

bloße Trugbilder hingestellt, als Illusionen, die sich der Menschengeist<br />

ewig vorspiegelt, weil er ewig nach einer Einheit<br />

der Erfahrung strebt, die ihm nirgends gegeben ist. Die Einheiten,<br />

die in den Ideen geschaffen werden, beruhen nach<br />

Kant nicht auf objektiven Verhältnissen, sie fließen nicht<br />

aus der Sache selbst, sondern sind bloß subjektive Normen,<br />

nach denen wir Ordnung in unser Wissen bringen. Kant bezeichnet<br />

daher die Ideen nicht als konstitutive Prinzipien, die<br />

86 Die angeführte Kantstelle in der Ausgabe von Kehrbach, «Kritik der Urteilskraft»,<br />

S. 294, die Stelle aus Steiners Einleitung zum ersten Band der<br />

naturwissenschaftlichen Schriften Goethes: Goethes Werke, Bd. XXXIII, S.<br />

LV.<br />

66

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