Walter Johannes Steins
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gesellte sich alsbald ein zweites. Was der Denker so in völliger<br />
innerer Freiheit sich erbildete, ohne hinzublicken auf irgendein<br />
Äußeres, das eben erwies sich als geeignet, die Sinnenwelt<br />
naturgesetzlich zu erklären. Was als allgemeines Gesetz<br />
den vielen Besonderheiten der sinnlich sichtbaren Welt<br />
das einheitliche Gepräge gibt, das erlebte der Denker immer<br />
mehr als Resultat seiner freischaffenden Tätigkeit. Wie diese<br />
Erlebnisse im Mittelalter dazu führten, den Nominalismus<br />
hervorzurufen, das hat Rudolf Steiner in seinem Buch: «Die<br />
Rätsel der Philosophie» ausgeführt.<br />
Wohin dieses Erlebnis mit dem mathematischen Denken<br />
führt, das wird deutlich an Kant. Für seine Philosophie wird<br />
es das Grunderlebnis, das ihn zu dem Gedanken führt: Der<br />
Denker sehe die Welt durch die Brille seiner subjektiv freigeschaffenen<br />
Gedanken. So werden diese zu etwas, das Erfahrung<br />
erst möglich macht, und die Welt selbst, das eigentliche<br />
Wesen der Dinge. wird zum unerreichbaren «Ding-an-sich».<br />
Worauf es hier nun ankommt, das ist das folgende: Man<br />
muß sich klar werden, daß man denkend nicht etwas zur<br />
Welt hinzuschafft, was ihr wesensfremd ist, sondern etwas<br />
aufdeckt, durch eine subjektive schöpferische Tätigkeit, was<br />
zwar schon da ist, zur Welt wesentlich gehört, aber durch die<br />
Denktätigkeit geoffenbart wird. Man muß also erkennen, daß<br />
der Denker den Gedanken erzeugt, insofern er B e w u ß t -<br />
seinsinhalt, aber nicht insoferne er logischer Inhalt ist.<br />
Daß dies nicht erkannt wird, rührt daher, daß man sich<br />
nicht klar werden kann, wie es [92] etwas ganz anderes ist<br />
über das D e n k e n zu denken und über einen beliebigen<br />
a n d e r e n Vorgang. Dadurch, daß ich über einen Vorgang<br />
denke, wird dieser zu keinem anderen. Indem ich zu dem,<br />
was die Sinne mir zeigen, die Begriffe subjektiv hinzufüge,<br />
hebe ich einen s u b j e k t i v vollzogenen Akt auf – den nämlich,<br />
durch welchen ich bewirkt habe, daß die Wahrnehmung<br />
allein, ohne die dazugehörigen Begriffe zunächst erscheinen.<br />
In der Aufhebung eines s u b j e k t i v vollzogenen Aktes beruht<br />
das Erkennen der Welt.<br />
Denke ich aber über das D e n k e n , so muß ich das Denken<br />
erinnern. Dadurch aber v e r ä n d e r e ich es. Es wird<br />
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