Walter Johannes Steins
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weil sie einen nicht aufnimmt, kann man nicht wissen, wie<br />
sie ausschaut. Jetzt kann man sich irgendwie über ihre<br />
Schwelle drängen, sich mit der Gottheit ,vereinigt glauben –<br />
und auf diese Weise erlebt man vielleicht etwas. W i s s e n -<br />
s c h a f t aber kommt auf diese Weise keine zustande. Hier<br />
aber handelt es sich um Wissenschaft des Übersinnlichen.<br />
Wissenschaft aber gründet sich auf Erkennen und Erkennen<br />
auf Erkenntnistheorie. Hier soll gezeigt werden, daß<br />
es Erkenntnistheorie des übersinnlichen Bewußtseins gibt,<br />
daß sie erfließt aus der richtig verstandenen Erkenntnistheorie,<br />
die Rudolf Steiner für das gewöhnliche Bewußtsein<br />
aufgestellt hat. Diese ist nämlich so beschaffen, daß aus ihr<br />
wie von selbst die Erkenntnistheorien der übersinnlichen<br />
Erkenntnisweisen sich ergeben, wenn man nur die Unterschiede<br />
der verschiedenen Bewußtseinsstufen richtig kennt.<br />
Einer dieser Unterschiede liegt darin, daß beim Übergang<br />
vom Wahrnehmen durch ein Sinnesorgan zum Wahrnehmen<br />
im Übersinnlichen, die empfangende und die aktive Haltung<br />
sich vertauschen. Das erste übersinnliche Organ ist demgemäß<br />
kein Gegenstand wie das Auge oder das Ohr, sondern<br />
eine Tätigkeit: das Denken. «Der Ideengehalt der Welt ist auf<br />
sich selbst gebaut, in sich vollkommen. Wir [102] erzeugen<br />
ihn nicht, wir suchen ihn nur zu erfassen. Das Denken erzeugt<br />
ihn nicht. sondern nimmt ihn wahr. Es ist nicht Produzent,<br />
sondern Organ der Auffassung 112 ).» Man muß ja unterscheiden:<br />
Das Erfassen der Gedanken; das Bilden von Begriffen<br />
durch die Denktätigkeit; und den Inhalt der Gedanken<br />
oder Begriffe, den Ideengehalt der Welt, der völlig auf<br />
sich selbst beruht.<br />
Beim Denken ist die Aufmerksamkeit nun entweder auf<br />
den Inhalt des Denkens gerichtet, auf die Ideen und Begriffe,<br />
oder auf die eigene D e n k t ä t i g k e i t , welche die Gedanken<br />
bildet. Letztere sind nicht bloß gegeben, sondern werden im<br />
Erkenntnisprozeß hervorgebracht. Ihr begrifflicher Inhalt<br />
aber, der auf sich selbst beruht, ist ein bloß Gegebenes. Er<br />
leuchtet im Erkenntnisprozeß auf, wird aber als das, was er<br />
112 R. Steiner in «Goethes Werke», Bd. XXXIV, S. XXVI.<br />
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