Walter Johannes Steins
Walter Johannes Steins
Walter Johannes Steins
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
mein sind, näher bestimmen zu wollen, erscheint Goethe so<br />
nutzlos, wie wenn man dem Blinden von der Farbe erzählen<br />
wollte. Für Goethe ist also die einzelne Wahrnehmung ein<br />
Letztes.<br />
Berkeley hat das, was Goethe von seinem Standpunkt so<br />
selbstverständlich erschien, daß man es kaum besonders zu<br />
sagen brauchte, im Besonderen ausgesprochen. Im sechsten<br />
Abschnitt seiner «Principles of human knowledge» sagt er:<br />
«Einige Wahrheiten liegen so nahe und sind so einleuchtend,<br />
daß man nur die Augen des Geistes zu öffnen braucht,<br />
um sie zu erkennen. Zu diesen rechne ich die wichtige<br />
Wahrheit, daß der ganze himmlische Chor und die Fülle der<br />
irdischen Objekte, mit einem Worte, alle die Dinge, die das<br />
große Weltgebäude ausmachen, keine Subsistenz außerhalb<br />
des Geistes haben, daß ihr Sein, ihr Perzipiertwerden oder<br />
Erkanntwerden ist, daß sie also, solange sie nicht wirklich<br />
durch mich erkannt sind oder in meinem Geiste oder in dem<br />
Geiste irgendeines anderen geschaffenen Wesens existieren,<br />
entweder überhaupt keine Existenz haben oder in dem Geiste<br />
eines ewigen Wesens existieren … 50 )».<br />
Man kann also vom Standpunkt des gewöhnlichen Bewußtseins<br />
dem Inhalte der Wahrnehmung keine andere Existenz<br />
zuschreiben als die, welche sie im Wahrnehmungserlebnis<br />
hat. Hie von abgesehen existiert sie entweder gar<br />
nicht oder als Inhalt [43] eines anderen als des gewöhnlichen<br />
Bewußtseins. Dies ist Berkeleys Meinung.<br />
Goethe stimmt mit Berkeley überein, nur mit dem Unterschied,<br />
daß er von jenem anderen Bewußtsein nicht<br />
spricht.<br />
Hat nun die Naturwissenschaft ein Recht, die Frage aufzuwerfen,<br />
was die Sinnenwelt, abgesehen von ihrem Dasein<br />
für die Sinne, n o c h ist? Kein Zweifel, aber nur muß die<br />
Frage so gestellt werden:<br />
50 Berkeley, «Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis»,<br />
übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Friedrich Überweg,<br />
Leipzig, Verlag von Felix Meiner.<br />
42