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Walter Johannes Steins

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in der Erinnerung wie erstarrt geworden ist. Es ist, wie wenn<br />

man im status praesens eine bewegte Wasserströmung sähe,<br />

die beim Wiederauftreten im status praeteritum zu Eis geworden<br />

ist.<br />

Als ein solch innerlich versatiles und lebendigbewegliches<br />

Gebilde muß man auch, wie Rudolf Steiner einmal<br />

bemerkt hat 34 ), den Allgemein-Begriff auffassen, wenn<br />

man nicht an Lockes fehlerhaftes, allgemeines Dreieck glauben<br />

will, das weder rechtwinkelig, [31] noch stumpfwinkelig,<br />

noch spitzwinkelig und doch alles dies zugleich sein soll.<br />

Berkeley hat darauf hingewiesen, daß dies etwas Absurdes<br />

ist 35 ). Aber es ist r i c h t i g gedacht nicht absurder als die Rose,<br />

die weder Same, noch Knospe, noch Blüte und doch auch<br />

wieder dies alles zugleich ist. Der Allgemeinbegriff l e b t . Er<br />

ist ein Lebewesen und gehört der Sphäre des aktuell gegenwärtigen<br />

l e b e n d i g e n Gedankens an. Wer nur ein Organ<br />

für den Begriffsleichnam hat, der in der Erinnerung festgehalten<br />

werden kann, der ist eben auch d a Nominalist, wo<br />

der Realismus am Platz ist. Der Realismus ist nämlich nicht<br />

34 Vier Vorträge, gehalten während der zweiten Versammlung der anthroposophischen<br />

Gesellschaft vom 18.-24. Januar 1914 in Berlin. Steiner sagte<br />

damals im ersten dieser vier Vorträge über den Allgemeinbegriff: «Zweierlei<br />

kann man machen und auch verlangen auf diesem Gebiete. Das Erste, was<br />

man verlangen kann, ist, daß man es hübsch bequem hat: wenn jemand<br />

einem ein Dreieck aufzeichnet, dann ist es fertig und man weiß, wie es ausschaut<br />

: jetzt kann man hübsch ruhen in dem Gedanken, denn man hat,<br />

was man will. Man kann aber auch das andere machen: das Dreieck<br />

gleichzeitig als einen Ausgangspunkt betrachten und jeder Seite erlauben,<br />

daß sie sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten und nach verschiedenen<br />

Richtungen dreht. In diesem Falle hat man es aber nicht so bequem, sondern<br />

man muß in seinen Gedanken Bewegungen aus= führen. Aber dafür<br />

hat man auch wirklich den allgemeinen Gedanken «Dreieck» darinnen; er<br />

ist ja nur nicht zu erreichen, wenn man bei einem Dreieck abschließen will.<br />

Der allgemeine Gedanke «Dreieck» ist da, wenn man den Gedanken in fortwährender<br />

Bewegung hat, wenn er versatil ist.» Ganz ähnliches sagt Husserl<br />

(»Logische Untersuchungen», Bd. II, 1. Teil S. 134). Die allgemeine Idee<br />

vom Dreieck, als Idee der Dreieckigkeit, ist also Idee von dem, was von jedem<br />

Dreieck als solchem gehabt wird; nicht ist sie aber die Idee von einem<br />

Dreieck selbst».<br />

35 The principles of human knowledge», by George Berkeley XIII<br />

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