Walter Johannes Steins
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für die Sache [67] maßgebend sein müßten, sondern als regulative,<br />
die allein für die Systematik unseres Wissens Sinn<br />
und Bedeutung haben.<br />
Sieht man aber auf die Art, wie die Ideen zustande<br />
kommen, so erweist sich diese Ansicht sogleich als irrtümlich.<br />
Es ist zwar richtig, daß die subjektive Vernunft das Bedürfnis<br />
nach Einheit hat, aber dieses Bedürfnis ist ohne allen<br />
Inhalt, ein leeres Einheits b e s t r e b e n . Tritt ihm etwas<br />
entgegen, das absolut jeder einheitlichen Natur entbehrt, so<br />
kann es diese Einheit nicht selbst aus sich heraus erzeugen.<br />
Tritt ihm hingegen eine Vielheit entgegen, die ein Zurückführen<br />
auf eine innere Harmonie gestattet, dann vollbringt sie<br />
dieselbe. Eine solche Vielheit ist die vom Verstande geschaffene<br />
Begriffswelt.<br />
Die Vernunft setzt nicht eine bestimmte Einheit voraus,<br />
sondern die leere Form der Einheitlichkeit, sie ist das Vermögen,<br />
die Harmonie an das Tageslicht zu ziehen, wenn sie<br />
im Objekte selbst liegt. Die Begriffe setzen sich in der Vernunft<br />
selbst zu Ideen zusammen. D i e V e r n u n f t b r i n g t<br />
die höhere Einheit der Verstandesbegriffe zum<br />
Vorschein, die der Verstand in seinen Gebilden<br />
zwar hat, aber nicht zu sehen vermag.»<br />
1887 führt Rudolf Steiner diesen Gedanken im zweiten<br />
Band der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes weiter:<br />
«Damit wird es uns erklärlich, wie die Menschen so verschiedene<br />
Begriffe, so verschiedene Anschauungen von der<br />
Wirklichkeit haben können, trotzdem diese doch nur eine<br />
sein kann. Die Verschiedenheit liegt in der Verschiedenheit<br />
unserer Verstandeswelten. Damit<br />
verbreitet sich für uns ein Licht über die Entwicklung verschiedener<br />
wissenschaftlicher Standpunkte. Wir begreifen,<br />
woher die vielfachen philosophischen Standpunkte kommen<br />
und haben nicht nötig, ausschließlich einer die Palme der<br />
Wahrheit zuzuerkennen. Wir wissen auch, welchen Standpunkt<br />
wir selbst gegenüber der Vielheit menschlicher Anschauungen<br />
einzunehmen haben. Wir werden nicht ausschließlich<br />
fragen: Was ist wahr, was ist falsch? Wir werden<br />
immer untersuchen, in welcher Art die Verstandeswelt eines<br />
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