Walter Johannes Steins
Walter Johannes Steins
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nem durch das Denken geordneten Reich der Wahrnehmungen.<br />
«Das Höchste wäre, zu begreifen, daß alles Faktische<br />
schon Theorie ist ... Man suche nur nichts hinter den Phänomenen;<br />
sie selbst sind die Lehre.» Auch über das Denken<br />
will Goethe nicht denken. Er will lediglich das Denken anwenden<br />
auf Phänomene – diese in eine hierarchische Ordnung<br />
bringen, an deren Spitze ein erstes höchstes Urphänomen<br />
steht.<br />
Die Philosophen denken über das Denken. Die Naturwissenschafter<br />
beobachten die Phänomene. Sie denken über<br />
die Beobachtungen. Aber das Denken führt nicht hinter die<br />
Phänomene. Weil aber die Naturwissenschafter nicht befriedigt<br />
sind von der Welt der Phänomene, bilden sie Hypothesen<br />
über das, was den Phänomenen zugrunde liegen mag.<br />
Der Naturwissenschafter verfährt wie jemand, der eine<br />
Uhr findet. Dieser zerlegt sie, studiert das Ineinandergreifen<br />
der Räder. Er begreift den Zusammenhang der Teile. Alle<br />
Gedanken, welche der Uhrmacher in die Uhr gelegt hat, die<br />
findet er. Aber wie genau er auch die Uhr studiert, der Uhrmacher<br />
ist durch das Studium der Uhr nicht aufzufinden.<br />
Die Uhr ist die Sinnenwelt. Die Zusammenhänge innerhalb<br />
der Sinnenwelt lassen sich auffinden. Über das, was<br />
der [100] Erzeuger der Sinnenwelt ist, gibt es nur Hypothesen.<br />
Diese Hypothesen sind aber so beschaffen, daß sie die<br />
Sinnenwelt als etwas vorstellen, das unwahrnehmbar sein<br />
müßte, wenn die Sinnenwelt wirklich wäre, als was sie der<br />
Naturwissenschafter denkt. Denn er isoliert die Sinnenwelt<br />
vom Ich. Aber nur das kann Sinnenwelt heißen, was Ich-<br />
Erlebnis werden kann.<br />
Will man nun wissen, was der Sinnenwelt selbst<br />
zugrunde liegt, so darf man dies nicht innerhalb der Sinnenwelt<br />
suchen, ebensowenig wie man den Uhrmacher<br />
durch Nachdenken über die Uhr suchen darf. Man muß also<br />
einsehen, daß man, wenn man die Sinnenwelt als Sinnenwelt<br />
in ihrer Entstehung begreifen , will – also wenn man<br />
nicht innerhalb der Uhr das Ineinandergreifen der Räder begreifen<br />
will, sondern fragt, woher überhaupt so etwas<br />
kommt, wie die Uhr, die man gefunden hat – dann muß man<br />
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