22.01.2013 Aufrufe

Walter Johannes Steins

Walter Johannes Steins

Walter Johannes Steins

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ist das selbstbewußte Ich abgetrennt von der Natur. Der<br />

Umstand, daß das [23] Denken auf meiner eigenen Tätigkeit<br />

beruht, verhindert mich, den Weg zur Natur zu finden. Aber<br />

hier entsteht die Frage: Wie ist es möglich, daß das Denken,<br />

das doch gerade das objektive Wesen der Dinge erfaßt, doch<br />

ganz auf meiner subjektiven Tätigkeit beruht? Es kann doch<br />

dem wir mit ihr bey einem Gegenstand beschäftigt sind. (Man sehe des<br />

Hrn. M e r i a n s Abhandlung darüber, in den Schriften der berlinischen<br />

Akademie der Wissenschaften, 1762.) Die Ursache davon fällt uns gleich<br />

auf. Wenn die Denkkraft der Seele mit dem Bewußtseyn, mit dem Unterscheiden,<br />

mit dem Überlegen der Idee, die sie vor sich hat, beschäftigt ist,<br />

so ist sie schon als eine Denkkraft tätig, und wirket auf eine vorzügliche Art<br />

nach einer bestimmten Richtung hin. Sollte sie nun in demselben Augen=<br />

blick auch über diese ihre Tätigkeit reflektieren, so müßte sie die nervliche<br />

Arbeit zugleich auf die Tätigkeit verwenden. Kann sie aber ihr Vermögen<br />

des Bewußtseins zerspalten, und mit einem Theil desselben bey der Idee<br />

von der Sache, und mit dem andern zugleich bey der Anwendung, die sie<br />

von dem Vermögen machet, wirksam seyn? Sie müßte als denn noch mehr<br />

thun, als auf zwey Sachen auf einmal aufmerken. Dieß letztere läßt sich<br />

noch wohl auf eine gewisse Weise thun, aber wenn sie ihre Aufmerksamkeit<br />

und ihr Gewahrnehmungsvermögen auf eine Idee verwendet, wie will sie<br />

solche denn zugleich auf ihre eigene Aufmerksamkeit und auf ihr eigenes<br />

Gewahrnehmen verwenden? Indem wir denken, und dieß zeiget sich am<br />

deutlichsten, wenn wir mit Anstrengung und mit einem glücklichen Fortgange<br />

denken, wissen wir nicht davon, daß wir denken. Sobald wir auf<br />

das Denken selbst zurücksehen,, so ist der Gedanke entwischt, wie das<br />

gegenwärtige Zeitmoment, das schon vergangen ist, wenn man es er. greifen<br />

will.<br />

Ebenso verhält es sich bey allen übrigen s e l b s t t h ä t i g e n Äußerungen<br />

unserer Denkkraft: ebenso so bey dem Urteilen, bey dem Folgern und<br />

Schlüssen. Der Zeitpunkt der Handlung schließt die Reflexion über dieselbe<br />

Handlung aus. Diese letztere folget erst auf jene. Hr. M e r i a n hat hierauf<br />

seine Kritik über des D e s c a r t e s Grundsatz ‹ich denke› gebauet, an dessen<br />

Statt es seiner Meinung nach heißen müßte : ich habe g e d a c h t . Jenes<br />

ist ein Ausdruck des Bewußtseins, das wir von unserem Denken haben,<br />

und stellt dieses als gegenwärtig immer dar, in dem Augen blick, da<br />

wir uns dessen bewußt sind. Aber so ist es nicht, sagt Hr. Merian, es ist<br />

schon vergangen, wenn wir danach umsehen, und es beobachten. Aber ob<br />

ich gleich gegen die Erfahrung nichts einwende, aus welcher diese Folge<br />

gezogen wird, so deucht mich doch, eine solche Erinnerung gegen D e s -<br />

c a r t e s sey mehr eine Spitzfindigkeit, als eine scharfsinnige Kritik. Ich<br />

kann auch in der gegenwärtigen Zeit sagen: i c h d e n k e : denn dies soll<br />

nur den Aktus des gegenwärtigen Denkens ausdrücken; nicht aber so viel<br />

heißen, als: ich denke, daß ich denke, oder: ich weiß, daß ich denke.»<br />

22

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!