Walter Johannes Steins
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ist das selbstbewußte Ich abgetrennt von der Natur. Der<br />
Umstand, daß das [23] Denken auf meiner eigenen Tätigkeit<br />
beruht, verhindert mich, den Weg zur Natur zu finden. Aber<br />
hier entsteht die Frage: Wie ist es möglich, daß das Denken,<br />
das doch gerade das objektive Wesen der Dinge erfaßt, doch<br />
ganz auf meiner subjektiven Tätigkeit beruht? Es kann doch<br />
dem wir mit ihr bey einem Gegenstand beschäftigt sind. (Man sehe des<br />
Hrn. M e r i a n s Abhandlung darüber, in den Schriften der berlinischen<br />
Akademie der Wissenschaften, 1762.) Die Ursache davon fällt uns gleich<br />
auf. Wenn die Denkkraft der Seele mit dem Bewußtseyn, mit dem Unterscheiden,<br />
mit dem Überlegen der Idee, die sie vor sich hat, beschäftigt ist,<br />
so ist sie schon als eine Denkkraft tätig, und wirket auf eine vorzügliche Art<br />
nach einer bestimmten Richtung hin. Sollte sie nun in demselben Augen=<br />
blick auch über diese ihre Tätigkeit reflektieren, so müßte sie die nervliche<br />
Arbeit zugleich auf die Tätigkeit verwenden. Kann sie aber ihr Vermögen<br />
des Bewußtseins zerspalten, und mit einem Theil desselben bey der Idee<br />
von der Sache, und mit dem andern zugleich bey der Anwendung, die sie<br />
von dem Vermögen machet, wirksam seyn? Sie müßte als denn noch mehr<br />
thun, als auf zwey Sachen auf einmal aufmerken. Dieß letztere läßt sich<br />
noch wohl auf eine gewisse Weise thun, aber wenn sie ihre Aufmerksamkeit<br />
und ihr Gewahrnehmungsvermögen auf eine Idee verwendet, wie will sie<br />
solche denn zugleich auf ihre eigene Aufmerksamkeit und auf ihr eigenes<br />
Gewahrnehmen verwenden? Indem wir denken, und dieß zeiget sich am<br />
deutlichsten, wenn wir mit Anstrengung und mit einem glücklichen Fortgange<br />
denken, wissen wir nicht davon, daß wir denken. Sobald wir auf<br />
das Denken selbst zurücksehen,, so ist der Gedanke entwischt, wie das<br />
gegenwärtige Zeitmoment, das schon vergangen ist, wenn man es er. greifen<br />
will.<br />
Ebenso verhält es sich bey allen übrigen s e l b s t t h ä t i g e n Äußerungen<br />
unserer Denkkraft: ebenso so bey dem Urteilen, bey dem Folgern und<br />
Schlüssen. Der Zeitpunkt der Handlung schließt die Reflexion über dieselbe<br />
Handlung aus. Diese letztere folget erst auf jene. Hr. M e r i a n hat hierauf<br />
seine Kritik über des D e s c a r t e s Grundsatz ‹ich denke› gebauet, an dessen<br />
Statt es seiner Meinung nach heißen müßte : ich habe g e d a c h t . Jenes<br />
ist ein Ausdruck des Bewußtseins, das wir von unserem Denken haben,<br />
und stellt dieses als gegenwärtig immer dar, in dem Augen blick, da<br />
wir uns dessen bewußt sind. Aber so ist es nicht, sagt Hr. Merian, es ist<br />
schon vergangen, wenn wir danach umsehen, und es beobachten. Aber ob<br />
ich gleich gegen die Erfahrung nichts einwende, aus welcher diese Folge<br />
gezogen wird, so deucht mich doch, eine solche Erinnerung gegen D e s -<br />
c a r t e s sey mehr eine Spitzfindigkeit, als eine scharfsinnige Kritik. Ich<br />
kann auch in der gegenwärtigen Zeit sagen: i c h d e n k e : denn dies soll<br />
nur den Aktus des gegenwärtigen Denkens ausdrücken; nicht aber so viel<br />
heißen, als: ich denke, daß ich denke, oder: ich weiß, daß ich denke.»<br />
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