Walter Johannes Steins
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sind. Er suchte in der Seele das Leben der Natur<br />
79 )». Wer [62] diese ganz andersartige Einstellung Goethes<br />
übersieht, kann nicht zu einem wahren Verständnis<br />
dessen kommen, was Goethe anstrebt. Er will nicht bloß Natur<br />
erkennen, er will s e l b e r ein anderer werden. In diesem<br />
Sinne sagt er von Kants Kritik der reinen Vernunft «der Eingang<br />
war's, der mir gefiel, ins Labyrinth selbst konnt' ich<br />
mich nicht wagen: bald hinderte mich die Dichtungsgabe,<br />
bald der Menschenverstand, und ich fühlte mich nirgend gebessert<br />
80 )». Was den Menschen nicht in progressiver Art in<br />
der Entwickelung impulsiert, ihn als Menschen umwandelt,<br />
das betrachtet Goethe nicht als wahren, sondern nur als<br />
willkürlich erstrebten Erkenntnisinhalt. Ihm war alles Entwickelungsfaktor<br />
des inneren Menschen. Nicht was aus I n -<br />
teresse an etwas gesucht wird, läßt Goethe als Wissen gelten,<br />
sondern was miterlebt wird, um das Ich in der Entwikkelung<br />
fortschreiten zu lassen. Goethe war es zu tun um ein<br />
solches Wissen, das den Menschen progressiv vollkommener<br />
macht. «Wenn der zur lebhaften Beobachtung aufgeforderte<br />
Mensch mit der Natur einen Kampf zu bestehen anfängt, so<br />
fühlt er zuerst einen ungeheuren Trieb, die Gegenstände<br />
sich zu unterwerfen. Es dauert aber nicht lange, so dringen<br />
sie dergestalt gewaltig auf ihn ein, daß er fühlt, wie sehr er<br />
Ursache hat, auch ihre Macht anzuerkennen und ihre Einwirkung<br />
zu verehren. Kaum überzeugt er sich von diesem<br />
wechselseitigen Einfluß, so wird er ein doppelt Unendliches<br />
gewahr: An den Gegenständen die Mannigfaltigkeit des Seins<br />
und Werdens und der sich lebendig durchkreuzenden Verhältnisse,<br />
an sich selbst aber die Möglichkeit einer unendlichen<br />
Ausbildung, indem er seine Empfänglichkeit sowohl als<br />
sein Urteil immer zu neuen Formen des Aufnehmens und<br />
des Gegenwirkens geschickt macht 81 )!».<br />
So ist die Betrachtung der Natur Goethe nicht bloß Naturwissenschaft<br />
gewesen, sondern ein Weg der inneren Ent-<br />
79 A. a. O. S. 129.<br />
80 Goethes Werke, Bd. XXXIV, S. 28.<br />
81 Goethes Werke, Bd. XXXIII, S. 5.<br />
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