Walter Johannes Steins
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[114] Hat man vor einem weißen Schirm einen Schatten<br />
werfenden Stab aufgestellt, der von zwei Lichtquellen beleuchtet<br />
wird, so bekommt man zwei graue Schattenbilder<br />
des Stabes auf dem Schirm. Färbt man eine Lichtquelle<br />
durch Vorhalten einer Glasplatte, so wird der Schatten, der<br />
durch diese nun gefärbte Lichtquelle und den Stab geworfen<br />
wird, komplementär gefärbt. Man kann also sagen, der<br />
Schatten eines Stabes im roten Licht erscheint b e i w e i ß e r<br />
Seitenbeleuchtung grün. Der Schatten eines Stabes im<br />
gelben Licht blau, im violetten Licht orange. Genau dasselbe<br />
physikalische Phänomen ergibt sich, wenn ich mein Auge<br />
erst einer roten Lichtquelle zuwende und dann beim Abwenden<br />
des Auges auf einen weißen Schirm: das grüne Nachbild<br />
erlebe. Dieses Grün ist ein f a r b i g e r S c h a t t e n i n n e r -<br />
halb meines Auges.<br />
Linse, Glaskörper, Flüssigkeit zwischen Linse und<br />
Hornhaut ergeben in ihrer Gesamtwirkung ein Zusammenspiel<br />
von Helligkeit und Dunkelheit, das genau der Versuchsanordnung<br />
entspricht beim Auftreten der farbigen<br />
Schatten. Der einzige Unterschied ist, daß das eine Mal der<br />
Vorgang räumlich, das andere Mal zeitlich ist. Da das Auge<br />
aber ein l e b e n d i g e r physikalischer Apparat ist, so bewahrt<br />
es den Zustand, in den es gebracht ist, eine Zeit lang, so daß<br />
die zweite Lichtquelle nicht g l e i c h da sein muß, sondern<br />
n a c h h e r wirksam wird in der Gestalt des weißen Schirmes,<br />
dem sich das Auge zuwendet.<br />
Wie aber kommt die modifizierende Wirkung der im Auge<br />
erzeugten Farbe auf die reagierende Farbe zustande, wenn<br />
das Auge sich n i c h t abwendet, sondern im Betrachten e i -<br />
n e r Farbe verharrt? Dann tritt ja Verweißlichung, d. h. Erhellung<br />
der Farbe ein. Dann ist im Auge noch nicht f a r b i -<br />
g e r Schatten, (denn der tritt ja erst auf bei Belichtung<br />
durch eine zweite Lichtquelle), sondern bloß Schatten. Dieser<br />
hat allerdings eine – noch nicht genügend studierte – Eigenfarbe.<br />
So ist z. B. der Schatten roten Lichtes leicht<br />
bläulich gefärbt.<br />
Jedenfalls ist aber im Auge Schatten. Das Sehen erfolgt<br />
daher von einem dunklen Raum aus ins Helle. (Vom Augin-<br />
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