Walter Johannes Steins
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Ein V o r denken ist in diesem Sinne jedes originell menschliche<br />
Denken, [58] z.B. das, welches rein menschlichen Erfindungen<br />
zugrunde liegt. Erst ist der Gedanke da, dann verwirklicht<br />
man ihn. Ein Nach-denken ist alles Erkennen eines<br />
schon Vorhandenen. Das V o r gedachte, insofern es sich<br />
nicht auf menschliches, sondern auf göttliches Vordenken<br />
bezieht, nennt die Scholastik «universalia ante rein». Das<br />
N a c h gedachte ist immer nur als Menschendenken vorhanden<br />
und heißt in der Scholastik «universalia post rem».<br />
Wenn Goethe aber meint, es dürfte wohl der Fall sein, «daß<br />
wir uns durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur<br />
zur geistigen T e i l n a h m e an ihren Produktionen würdig<br />
machten», so geht aus dem Wort «Teilnahme» hervor, daß es<br />
sich beim Naturerkennen Goethes um ein M i t erleben dessen<br />
handelt, was die Scholastik «universalia in re» nennt.<br />
Diese «universalia in re» müssen wir nun näher betrachten.<br />
Sie sind die Formen des Aristoteles. Was Aristoteles unter<br />
Form versteht, das wüßte ich hier nicht besser zu sagen, als<br />
mit den Worten des feinsinnigen Benediktiner-Priesters Dr.<br />
Vincenz Knauer, der als Privatdozent an der Wiener Universität<br />
und als Bibliothekar des Stiftes Schotten in Wien gewirkt<br />
hat. In seinem Buch: «Grundlinien zur Aristotelisch-<br />
Thomistischen Psychologie» sagt er 73 ): «Die Form als Daseingebendes,<br />
gestaltendes, belebendes Prinzip, darf nach Aristoteles<br />
und Thomas nicht mit dem A r t b e g r i f f verwechselt<br />
werden, sondern ist, wo überhaupt eine Mehrheit gleichartiger<br />
Individuen vorhanden ist, d i e A r t s e l b s t , d. h. jenes<br />
Allgemeine aber nicht bloß b e g r i f f l i c h Allgemeine, sondern<br />
sehr R e a l e , welches nicht etwa als leere Abstraktion<br />
nur im Verstande existiert, sondern in den sämtlichen Individuen<br />
einer Art oder Gattung sich darlebt, indem es dieselben<br />
eben zu dem macht, was sie als Angehörige der Gattung<br />
sind. Dasjenige also ist im strengsten Sinne die<br />
Form, was beispielsweise in der Löwengattung<br />
den Stoff zum Löwen substantialisiert, nicht<br />
73 A. a. O. S. 17.<br />
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