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Walter Johannes Steins

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nicht sein, daß das objektive Wesen der Dinge durch meine<br />

subjektive Tätigkeit hervorgebracht wird! Das ist auch ganz<br />

unmöglich. Wie aber, wenn das Ich erst ausgelöscht hätte,<br />

was es nachher von sich aus wieder erzeugt? Die Frage<br />

braucht bloß gestellt zu werden und sofort ist klar, daß sie<br />

die einzige Lösung mit sich bringt.<br />

«Es liegt im Wesen der Seele, beim ersten Anblick der<br />

Dinge etwas auszulöschen, das zu ihrer Wirklichkeit gehört.<br />

Daher sind sie für die Sinne so, wie sie nicht in Wirklichkeit<br />

sind, sondern so, wie die Seele sie gestaltet. Aber ihr Schein<br />

(oder ihre bloße Erscheinung) beruht darauf, daß die Seele<br />

ihnen erst weggenommen hat, was zu ihnen gehört. Indem<br />

der Mensch nun nicht bei dem ersten Anschauen der Dinge<br />

verbleibt, fügt er im Erkennen das zu ihnen hinzu, was ihre<br />

volle Wirklichkeit erst offenbart. Nicht durch das Erkennen<br />

fügt die Seele etwas zu den Dingen hinzu, was ihnen gegenüber<br />

ein unwirkliches Element wäre, sondern vor dem Erkennen<br />

hat sie den Dingen genommen, was zu ihrer wahren<br />

Wirklichkeit gehört 25 ).»<br />

Dasjenige Stück Welt, das wir im Erkennen selbstschöpferisch<br />

hervorbringen, löschen wir (uns unbewußt) vor aller<br />

Erkenntnis aus. In uns selbst löscht das Denken sich selbst<br />

aus. Das Denken als unbeobachtetes Element bildet den<br />

Strom, der [24] zwischen Ich und Natur fließt, der das Ich<br />

abtrennt von der Natur. Wäre das Denken ein Naturprozeß,<br />

so erlebten wir es überhaupt nicht, weil wir es selbst wären.<br />

Wir erlebten es ebensowenig wie die Verdauung.<br />

Um das Wesen dessen zu erkennen, was uns von der<br />

Natur abtrennt, müßte man e r l e b e n können, was das Denken<br />

– als Naturprozeß in uns ist, d. h. man müßte wissen<br />

(und zwar nicht durch eine Theorie, sondern durch innere<br />

Beobachtung), was wir denkend an unseren Leibern tun. Wir<br />

müßten aus dem gewöhnlichen Bewußtsein, das nur denkt,<br />

ein zweites hervortreiben, das dem ersten denkenden Bewußtsein<br />

zusieht. Ein Mensch, welcher das erste und das<br />

25 R. Steiner, «Die Rätsel der Philosophie», Bd. II, S. 230--231.<br />

23

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