Walter Johannes Steins
Walter Johannes Steins
Walter Johannes Steins
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
nicht sein, daß das objektive Wesen der Dinge durch meine<br />
subjektive Tätigkeit hervorgebracht wird! Das ist auch ganz<br />
unmöglich. Wie aber, wenn das Ich erst ausgelöscht hätte,<br />
was es nachher von sich aus wieder erzeugt? Die Frage<br />
braucht bloß gestellt zu werden und sofort ist klar, daß sie<br />
die einzige Lösung mit sich bringt.<br />
«Es liegt im Wesen der Seele, beim ersten Anblick der<br />
Dinge etwas auszulöschen, das zu ihrer Wirklichkeit gehört.<br />
Daher sind sie für die Sinne so, wie sie nicht in Wirklichkeit<br />
sind, sondern so, wie die Seele sie gestaltet. Aber ihr Schein<br />
(oder ihre bloße Erscheinung) beruht darauf, daß die Seele<br />
ihnen erst weggenommen hat, was zu ihnen gehört. Indem<br />
der Mensch nun nicht bei dem ersten Anschauen der Dinge<br />
verbleibt, fügt er im Erkennen das zu ihnen hinzu, was ihre<br />
volle Wirklichkeit erst offenbart. Nicht durch das Erkennen<br />
fügt die Seele etwas zu den Dingen hinzu, was ihnen gegenüber<br />
ein unwirkliches Element wäre, sondern vor dem Erkennen<br />
hat sie den Dingen genommen, was zu ihrer wahren<br />
Wirklichkeit gehört 25 ).»<br />
Dasjenige Stück Welt, das wir im Erkennen selbstschöpferisch<br />
hervorbringen, löschen wir (uns unbewußt) vor aller<br />
Erkenntnis aus. In uns selbst löscht das Denken sich selbst<br />
aus. Das Denken als unbeobachtetes Element bildet den<br />
Strom, der [24] zwischen Ich und Natur fließt, der das Ich<br />
abtrennt von der Natur. Wäre das Denken ein Naturprozeß,<br />
so erlebten wir es überhaupt nicht, weil wir es selbst wären.<br />
Wir erlebten es ebensowenig wie die Verdauung.<br />
Um das Wesen dessen zu erkennen, was uns von der<br />
Natur abtrennt, müßte man e r l e b e n können, was das Denken<br />
– als Naturprozeß in uns ist, d. h. man müßte wissen<br />
(und zwar nicht durch eine Theorie, sondern durch innere<br />
Beobachtung), was wir denkend an unseren Leibern tun. Wir<br />
müßten aus dem gewöhnlichen Bewußtsein, das nur denkt,<br />
ein zweites hervortreiben, das dem ersten denkenden Bewußtsein<br />
zusieht. Ein Mensch, welcher das erste und das<br />
25 R. Steiner, «Die Rätsel der Philosophie», Bd. II, S. 230--231.<br />
23