29.08.2013 Aufrufe

„Den Abszess zum Platzen bringen“ - Niklaus Meienberg

„Den Abszess zum Platzen bringen“ - Niklaus Meienberg

„Den Abszess zum Platzen bringen“ - Niklaus Meienberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Dieser Satz stellt im Grund eine Abduktion dar, da <strong>Meienberg</strong> über keinerlei Zeugnis von den<br />

Gedankengängen Gutterers verfügt. Doch der Inhalt dieser ‚Mutmassung‘ ergibt sich derart<br />

logisch aus den vorhandenen Dokumenten, dass diese Präsentation von Gedankenrede in<br />

Wirklichkeit kaum als Mutmassung tituliert werden kann.<br />

4.1.3. Sprache<br />

Die Vorstellung einer anzustrebenden Kongruenz von signifiant und signifié, welche <strong>Meienberg</strong>s<br />

Sprachverständnis entscheidend prägte, wurde in Kap. 3.3.2. als Konzept der ikonischen<br />

Sprachverwendung bezeichnet. In einem ersten Teil der empirischen Sprachanalyse soll nun<br />

der Frage nachgegangen werden, ob und in welcher Form das Phänomen des sprachlichen<br />

Ikonismus in den drei historischen Arbeiten tatsächlich anzutreffen ist.<br />

Ein erster Hinweis auf die Frage nach der sprachlichen Gestaltung der Texte liefert die Feststellung,<br />

dass im ersten Teil des TAM-Landesverräter-Artikels der Anteil idiomatischer Ausdrücke<br />

gering ist, obschon der Text ganz zentral auf Oral History, d.h. auf mündlichen,<br />

schweizerdeutschen Zeugenaussagen basiert. Dies ändert sich nachhaltig in Ernst S.. Das<br />

schweizerdeutsche Idiom ist in diesem Text, für den <strong>Meienberg</strong> mit Sicherheit mehr Zeit und<br />

Sorgfalt aufgewendet hat, deutlich präsent. Diese Feststellung überrascht, wäre doch eher das<br />

Gegenteil zu erwarten gewesen. Die Verwendung des Idioms, so kann daraus geschlossen<br />

werden, muss das Resultat einer bewussten künstlerischen Entscheidung gewesen sein. Die<br />

detaillierte Untersuchung der idiomatischen Ausdrücke in Ernst S. zeigt, dass <strong>Meienberg</strong> die<br />

ganze Bandbreite möglicher Mischungen von Schweizerdeutsch und Standarddeutsch nutzt<br />

und daraus eine fein nuancierte Kunstsprache entwickelt hat. Folgende sechs Formen sind dabei<br />

aus<strong>zum</strong>achen:<br />

Unmarkierte idiomatische Ausdrücke und Wendungen in syntaktisch regelkonformen Sätzen:<br />

„ Dem Obersten Birenstihl habe er Schlötterlinge angehängt, er sei gar nicht ruhig hinübergegangen.“<br />

(E, 13)<br />

„[...] für einen Cervelat und ein Bürli sei er vom Dach der gedeckten Brücke ins Wasser gesprungen und<br />

habe sich nie verletzt dabei.“ (E, 22)<br />

„[...] und die Streikposten am Brüggli hätten nichts genutzt.“ (E, 32)<br />

„S. war ein Rassiger, sagt German, [...].“ (E, 103)<br />

Unmarkierte idiomatische Wendungen in syntaktisch dem Schweizerdeutschen angeglichenen<br />

Sätzen:<br />

„Die Damen Louis sah man hoch zu Ross, man vergönnte es ihnen aber nicht, [...].“ (E, 28)<br />

„Unter den Italienern, hat Solenthaler so ein Gefühl gehabt, gab es hie und da auch Agitatoren.“ (E, 33)<br />

„Der Chef wollte eine Leistung sehen.“ (E, 78)<br />

„Wenn sie ihn doch wegen der Unzucht eingelocht hätten.“ (E, 84)<br />

Markierte idiomatische Ausdrücke in syntaktisch regelkonformen Sätzen:<br />

„[...] Anlagen hegen damals, all das sei ‚kein Schleck‘, vielmehr ‚ein Chrampf‘ gewesen, auch wenn die<br />

Bürger es sich idyllisch ausmalen.“ (E, 78)<br />

145

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!