„Den Abszess zum Platzen bringen“ - Niklaus Meienberg
„Den Abszess zum Platzen bringen“ - Niklaus Meienberg
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als Textpassage mit reduzierter Referentialität und wird sowohl extra- wie intratextuell<br />
plausibilisiert. Für die intratextuelle Plausiblisierung operiert <strong>Meienberg</strong> mit raffinierten<br />
narrativen Verfahren: einerseits mit der Technik des fluktuierenden Zitates (siehe Kap.<br />
4.1.1.2), andererseits mit motivischen Strukturen, die den ganzen Text durchqueren. Die<br />
Entwicklung der Abduktion als narratives Verfahren stellt insgesamt eine der grössten<br />
Leistungen von <strong>Meienberg</strong>s historiografischer Prosa dar, da er mit ihnen die Möglichkeiten<br />
der Erklärung und der anschaulichen Vermittlung historischer Sachverhalte erweitert<br />
hat, ohne auf den für die Geschichtsschreibung konstitutiven Wirklichkeitsbezug und<br />
Wahrheitsanspruch verzichten zu müssen.<br />
Als Bilanz dieser kleinen Übersicht über die wichtigsten historiografischen Aspekte von <strong>Meienberg</strong>s<br />
drei historischen Arbeiten kann festgehalten werden, dass er – teilweise mit, <strong>zum</strong>eist<br />
aber ohne theoretische Reflexion – in der Praxis eine überragende methodische Kreativität<br />
und Innovativität bewiesen hat, mit welcher er in zahlreichen Bereichen zu vergleichbaren<br />
Lösungen gelangte wie in neuesten Forschungsansätzen der europäischen Geschichtsschreibung.<br />
4.2.2. Literarische Perspektiven<br />
Ebenso wie im vorigen Kapitel soll auch hier im Sinne eines synthetischen Überblicks nach<br />
Gemeinsamkeiten und Differenzen unter den drei historischen Arbeiten gefragt werden.<br />
Gemeinsame Kennzeichen der drei historischen Arbeiten<br />
1) Ein erstes gemeinsames Kennzeichen der drei historischen Arbeiten, das dem Bereich der<br />
literarischen Techniken zuzurechnen ist, ist das „Prinzip der Heterogenität“. Unter diesem<br />
Stichwort kann <strong>Meienberg</strong>s narrative Praxis zusammengefasst werden, einerseits die gesamte<br />
lexikalische Bandbreite des mündlichen und schriftlichen sprachlichen Ausdruckes<br />
zu verwenden –vom umgangssprachlichen Kraftausdruck bis <strong>zum</strong> hochtrabenden Archaismus<br />
– und andererseits nicht nur auf ein äusserst breites Quellenkorpus zurückzugreifen,<br />
sondern auch Trouvaillen und Merkwürdigkeiten aller Art, die ihm während seiner Recherchen<br />
begegneten, als atmosphärische Elemente in seine Texte einzubauen.<br />
2) Bei der Analyse des textuellen ‚Schwellenbereiches‘, d.h. des komplexen Zusammenspiels<br />
von Paratext und Textanfang, hat sich ein zweites gemeinsames Kennzeichen der<br />
historischen Arbeiten ergeben. Titel, Untertitel, Motto und Textanfang bilden in allen<br />
Texten stets eine kunstvoll gestaltete Einheit, die teils in evidenter, teils in enigmatischer<br />
Weise ein präzises Lektüresignal darstellt und dem Leser Tonfall, Inhalt und Methode des<br />
Gesamttextes vorankündigt. Dieselbe Beobachtung kann darüber hinaus auch auf der textuellen<br />
Makrostruktur für das Verhältnis des Prologes <strong>zum</strong> Gesamttext angestellt werden.<br />
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