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eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

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110 Literaritätspraxis hierzulande – <strong>eine</strong> (sehr) kl<strong>eine</strong> Auswahl<br />

gewohnheiten sowie auf Inhalte und Formen intermedialen Gebrauchs. Denn selbst die Musik<br />

ein und <strong>der</strong>selben Zeit verwendet verschiedene Sprachen, Redeweisen und Stile. Die Direktheit<br />

und Unmittelbarkeit ihres Verstandenwerdens ist nur partikular und nur für bestimmte<br />

Gruppen selbstverständlich gegeben. Das ist allerdings k<strong>eine</strong>swegs ein neues Phänomen.<br />

Nikolaus Harnoncourt spricht von mehr als 10 Generationen, die uns heute von den Erfahrungswelten<br />

<strong>der</strong> Musiksprache des europäischen Konzertkanons trennen. Literarität im<br />

weitesten Sinn wird also auch für das Verständnis von Musik unerlässlich – als Wie<strong>der</strong> -<br />

herstellen und Entschlüsseln von Zusammenhängen zwischen Zeichensystemen und den in<br />

ihnen aufgehobenen und zum Ausdruck gebrachten Bedeutungen.<br />

Kulturelles Entschlüsseln von musikalisch innovativen Klangformen<br />

Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre entstand auf Initiative des bekannten Dirigenten Simon Rattle und<br />

produziert von <strong>der</strong> englischen Fernsehanstalt BBC <strong>eine</strong> siebenteilige Fernsehserie zur Musik<br />

im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. Simon Rattle kommentierte die Serie und dirigierte für die zahlreichen<br />

Musikbeispiele das City of Birmingham Symphony Orchestra. Die Sendungsserie stand unter<br />

dem Titel Leaving Home, <strong>eine</strong> Titelwahl, die Rattle folgen<strong>der</strong>maßen begründete:<br />

„Dieses Jahrhun<strong>der</strong>t war <strong>eine</strong>s <strong>der</strong> Emigration und des Exils, freiwillig und erzwungen.<br />

Zugleich ist Leaving Home <strong>eine</strong> Metapher für <strong>eine</strong> Zeit, aus <strong>der</strong> die sozialen,<br />

politischen und künstlerischen Gewissheiten ausgezogen sind, sich verflüchtigt<br />

haben.“ (Übers. d. Aut.)<br />

Die sieben Teile – genannt Tanz auf dem Vulkan, Rhythmus, Klangfarbe, Drei Schicksale,<br />

Made in America, Nach <strong>der</strong> Katastrophe und Zu neuen Ufern – wurden auch als DVD-Kollektion<br />

produziert und erschienen als Buch, in dem alle Musikbeispiele und KomponistInnen<br />

ausführlich behandelt werden. In s<strong>eine</strong>r Einleitung zu diesem Buch erzählt Rattle von s<strong>eine</strong>m<br />

Wunsch, die Musik des „eigenen“ Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>eine</strong>m breiteren Publikum nahe zu bringen<br />

und über das Problem, <strong>eine</strong>n roten Faden für die Vielfalt <strong>der</strong> Einflüsse dieser künstlerischen<br />

Entwicklung zu finden und diese zu erklären.<br />

Dieses Herangehen scheint uns ein gutes Beispiel für die Erläuterung <strong>der</strong> Bedeutung des<br />

Zusammenhangs von Musik und Literarität. Wir werden daher in <strong>der</strong> Folge, orientiert an<br />

Rattles Erzählung, einige kl<strong>eine</strong>, ausgewählte Darlegungen zu Made in America heranziehen,<br />

in denen Klangeinflüsse und Klangelemente mit ihren örtlichen und zeitlichen Bezügen<br />

erklärt und – lei<strong>der</strong> nicht an diesem Platz – zu Gehör gebracht werden.<br />

Die „klassische“ Musik Amerikas ist weitgehend <strong>eine</strong> des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Sie ist die Musik<br />

<strong>eine</strong>s ganzen Kontinents, <strong>eine</strong>s Kontinents von Einwan<strong>der</strong>ern, und bedient sich gezielt <strong>eine</strong>r<br />

Mischung aus Einflüssen unterschiedlicher Klangformen und Arten des Musikmachens. Rattle<br />

bezeichnet die amerikanische Klassik als <strong>eine</strong> des Dialogs zwischen Kulturen, die im hohen<br />

Tempo aufeinan<strong>der</strong> zuschleu<strong>der</strong>n. Er zeigt dies anhand <strong>der</strong> ersten Takte <strong>der</strong> Rhapsody in<br />

Blue (1924), <strong>eine</strong>m <strong>der</strong> wohl bekanntesten Musikstücke von George Gershwin und das erste<br />

amerikanische Konzertstück. Die erste ansteigende Tonfolge imitiert <strong>eine</strong> Klageliedtechnik,<br />

Markenzeichen <strong>der</strong> Blues-Sängerin Betty Smith, <strong>der</strong> Rest, so Rattle, sei „r<strong>eine</strong> Kantorenmusik“.<br />

Diese Klänge vermitteln, wie vor allem in <strong>der</strong> Filmmusik üblich, den Puls <strong>der</strong> damaligen<br />

Zeit in den Straßen New Yorks. Im Orchester gehört diese Stelle ganz den Bläsern und<br />

Streichern.

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