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eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

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96 Literaritätspraxis hierzulande – <strong>eine</strong> (sehr) kl<strong>eine</strong> Auswahl<br />

und Min<strong>der</strong>heitensprachencharta beim Europarat bin. Wobei man lei<strong>der</strong> sagen muss, dass<br />

Österreich bei <strong>der</strong> Ratifizierung dieser Charta das Romani territorial auf das Burgenland<br />

beschränkt hat, es betrifft also nur das Burgenland-Romani. Das schafft natürlich ziem liche<br />

Probleme. In Wien, wo die meisten Sprecher leben, hat Romani k<strong>eine</strong>n Status. Das gilt übrigens<br />

genauso für das Burgenland-Kroatisch, obwohl es in Wien mehr Burgenland-Kroatisch-<br />

Sprecher gibt als im ganzen Burgenland. Da wird das alte Spiel gespielt: Wir nehmen<br />

die wenigen Autochthonen, hängen sie uns als Feigenblatt um und tun so, als würden wir<br />

für den Rest auch etwas zulassen. Aber wenn sie zu viel wollen, dann ziehen wir uns auf<br />

die rechtliche Position zurück – das hängt als Drohung immer im Raum. Das ist typisch<br />

kakanisch. Wenn man positives Lobbying betreibt, kann man den Ermessensspielraum <strong>der</strong><br />

Beamten breit halten, in dem Moment, in dem man zu aggressiv auftritt, schrumpft dieser<br />

Spielraum. Das ist natürlich alles von politischen Strömungen abhängig.<br />

Hat sich <strong>der</strong> Zuwachs Ihrer internationalen Reputation auch auf Ihre wissenschaftliche<br />

Arbeit ausgewirkt?<br />

D. H.: Auf wissenschaftlicher Ebene sind wir jetzt nach 15 Jahren so weit, dass die Arbeit<br />

Anerkennung bekommt. Unlängst hat es im Sprachenzentrum <strong>der</strong> Universität Graz <strong>eine</strong><br />

Gründungserklärung für treffpunkt sprachen gegeben – <strong>eine</strong>m Zentrum für Sprache, Plurilingualismus<br />

und Fachdidaktik –, in dem für die Sprachen, die außerhalb <strong>der</strong> Philologie<br />

und <strong>der</strong> Linguistik unterrichtet werden, die Forschung intensiviert wird. Der Teil Plurilingualis -<br />

mus wird aus dem Kernbereich <strong>der</strong> Leute des Romani-Projekts bestehen. D.h., dass <strong>der</strong> dem<br />

Romani-Projekt zugrunde liegende Gedanke – Pluralität zu för<strong>der</strong>n, von <strong>der</strong> sprachlichen<br />

Ebene bis hin zur politischen, als einzige Möglichkeit, um zu verhin<strong>der</strong>n, dass sich die<br />

Menschheit auf diesem Planeten permanent den Schädel einschlägt, weg von <strong>der</strong> Nationalstaatenideologie,<br />

hin zur Pluralitätsideologie – ein bisschen mehr Stellenwert bekommt.<br />

Die sog. deutschsprachige Mainstream-Linguistik betrachtet m<strong>eine</strong> Arbeit als nicht beson<strong>der</strong>s<br />

bedeutsam, für sie betreibe ich so etwas wie angewandte Forschung. Aber gewisse Dinge,<br />

wie zum Beispiel das ROMLEX-Projekt, werden durchaus als Prestigesache gesehen. Weil<br />

darin <strong>Frage</strong>stellungen vorkommen wie: Was ist ein Basiswortschatz? – Je<strong>der</strong> spricht davon,<br />

aber k<strong>eine</strong>r weiß es.<br />

Ich stehe in <strong>der</strong> Tradition des pragmatischen, eher angloamerikanischen Raums, aus dem<br />

die soziolinguistische Ausrichtung ja eigentlich stammt. Mein Lehrer Denison war Ordinarius<br />

an <strong>der</strong> London School of Economics, bevor er nach Graz gekommen ist. Er hat mich in<br />

diese Richtung geprägt, hat mir aber nie irgendwelche Vorschriften gemacht. Wir sind heute<br />

noch unterschiedlicher Meinung in <strong>eine</strong>r ganz grundsätzlichen <strong>Frage</strong>: Darf man als Soziolinguist<br />

politisch Stellung beziehen o<strong>der</strong> nicht? Er (als alter Imperiumsbrite) sagt nein, ich<br />

(als Kryptoanarcho) sage natürlich ja. Und in dem Moment, in dem ich mich für die Soziolinguistik<br />

entscheide, beziehe ich schon politisch Stellung. Aber wir anerkennen gegenseitig<br />

den Weg des an<strong>der</strong>en als gut.<br />

Glauben Sie, dass Ihre Arbeit auf kultureller und politischer Ebene Auswirkungen<br />

hat?<br />

D. H.: Ich sehe <strong>eine</strong>n internationalen Trend, dass man durch die politischen Gegebenheiten<br />

in Europa allmählich draufkommt, dass die Nationalstaatenideologie und die in sie integrierte

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