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eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

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112 Literaritätspraxis hierzulande – <strong>eine</strong> (sehr) kl<strong>eine</strong> Auswahl<br />

Cage, so Rattle, radikalisiert diese Direktheit, indem er sich als komponieren<strong>der</strong> Musiker<br />

<strong>der</strong> Manipulation und Darstellung <strong>der</strong> Grundkonzepte <strong>der</strong> Klangherstellung und <strong>der</strong> Klangwirkung<br />

widmet. Sein mit Bolzen, Schrauben, Gummi, Metall, Papier und Holz präpariertes<br />

Klavier ist <strong>eine</strong> Technik <strong>der</strong> Verfremdung, um das Gehör zu überraschen und für ein<br />

breiteres Spektrum <strong>der</strong> Tonerzeugung zu interessieren. Die Klangwelt, die damit erzeugt<br />

wird, hat wenig mit <strong>der</strong> westlichen Musik zu tun. Sie ähnelt, und das bewusst, dem indonesischen<br />

Gamelan, <strong>eine</strong>m balinesischen und javanischen Musikstil, bei dem hauptsächlich<br />

Metallophone mit Klangplatten aus Gongs und Trommeln eingesetzt werden und ein musikalisches<br />

Thema mit Grundmustern immer wie<strong>der</strong> umspielt wird. Cage schreibt 1937 für<br />

das so präparierte Klavier Sonaten und Preludien, <strong>eine</strong> Nie<strong>der</strong>schrift mit genauen Angaben<br />

zur Präparation des Klaviers und zur Spielweise. Die Angaben zur Spielweise bedienen sich<br />

dabei auch <strong>eine</strong>r neuen, <strong>der</strong> grafischen Notation. In ihr werden Texte, Symbole und Farben<br />

eingesetzt, um die Ausführung des Musikstücks festzulegen. Je nach Manipulation und Spielanweisung<br />

entstehen Klänge, die Schlagtechniken und -instrumenten nahe kommen, o<strong>der</strong><br />

eher gedämpfte, wie Stoff durchdringende schwingende Tonflächen. Morton Feldman, ebenfalls<br />

Komponist und ein Freund von Cage, bezeichnet s<strong>eine</strong> und Cages Werke als wirklichkeitsnah,<br />

und er stellt fest: „Geschichte und Klang. In diese Richtung geht die Musik.“ Die<br />

Essenz <strong>der</strong> Musik ist für Feldman pulsierende Stille. S<strong>eine</strong> Arbeit aus dem Jahr 1970,<br />

Madame Press Died Last Week at 90, drängt zum langsamer werden, die Musik ist zart,<br />

meditativ, mit sanften Bogenstrichen und zurückhalten<strong>der</strong> Intensität <strong>der</strong> Bläser. Sie ist weit<br />

entfernt vom mo<strong>der</strong>nen amerikanischen Way of Life, erinnert mehr an die Musik des Ostens<br />

als des Westens.<br />

In <strong>der</strong> hier vorgestellten Arbeit Rattles zur Musik des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts thematisiert er an<br />

<strong>der</strong> Entwicklung spezieller Musiktraditionen allgemein wichtige Zusammenhänge zwischen<br />

Musik als Material, als <strong>eine</strong> beson<strong>der</strong>e Kunstform <strong>der</strong> Gestaltung, und Material <strong>der</strong> Musik<br />

<strong>eine</strong>r bestimmten Zeit und <strong>der</strong>en kulturelle Quellen und Ausprägungen. Einige <strong>der</strong> von ihm<br />

aufgeworfenen <strong>Frage</strong>stellungen sind auch heute noch in <strong>der</strong> Musik und im schriftlichen und<br />

mündlichen Diskurs hochaktuell. So etwa Themen wie die Vermischung von Klangtraditionen<br />

und Klangstilen als Bewahren und Verwischen von Unterschieden, die austauschende<br />

Begegnung zwischen Ost und West, das Verhältnis von „ernsten“ und „unterhaltenden“<br />

Formen des Musizierens, die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Klangsprache durch Instrumente, Räume<br />

und Spielweisen, o<strong>der</strong> die Auffor<strong>der</strong>ung, über Musik und das Wahrnehmen und Darstellen<br />

nachzudenken.<br />

Musik und Literarität – ein Crossover von Interpretationen<br />

Bei all ihren Unterschieden sind sowohl Musik als Literarität kulturelle Formen <strong>der</strong> Übertragung,<br />

also des Crossover. Klang und Schrift sind Medien <strong>der</strong> Gestaltung und <strong>der</strong> Aufzeichnung.<br />

Sie erfüllen damit ein kulturelles Grundbedürfnis, nämlich das, was unmittelbar<br />

erlebt wird, in Material zu verwandeln, um das Erlebte auf diesem Weg nachzuempfinden,<br />

es einordnen und deuten zu können. Wenn auch mit je an<strong>der</strong>en Mitteln, übertragen beide<br />

sinnliche, emotionale und mentale Erfahrungen in akustisches o<strong>der</strong> schriftliches Material<br />

und entwickeln durch Techniken <strong>der</strong> Materialgestaltung <strong>eine</strong>n eigenen symbolischen Darstellungskosmos.<br />

Für die Unmittelbarkeit <strong>der</strong> Wirkung des Materials auf HörerInnen o<strong>der</strong><br />

LeserInnen sind gemeinsame Erfahrungswelten und die Kenntnis <strong>der</strong> Bezugsrahmen <strong>der</strong><br />

Symbolisierung Voraussetzung.

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