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eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

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12 Was ist Literarität?<br />

Diese scharfe Trennung traf naturgemäß auf heftigen Wi<strong>der</strong>spruch. Einige ForscherInnen<br />

nutzen die Ergebnisse eben dieser Feldforschungen, thematisieren und analysieren aber vor<br />

allem, wie einseitig bereits die Vorannahmen <strong>der</strong> beteiligten ForscherInnen über die angeblich<br />

universell gültige Überlegenheit von Literarität sind, wie wenig sie als Messlatte für<br />

jede Art von Entwicklung geeignet sind und daher schon die Darstellung, vor allem aber<br />

die Schlussfolgerungen aus den vielschichtigen Ergebnissen verfälschen. Sie unterziehen<br />

das gewonnene Material <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Lesart und leiten daraus die Wichtigkeit kultureller<br />

Kontextanalysen des Forschungsfeldes (aber auch <strong>der</strong> Forschungsansätze) ab. Schließlich<br />

ist jede Aussage und Zuweisung über soziale Funktionen des symbolisch-mentalen Instrumentariums<br />

oraler und literater Darstellungsformen mit Definitionen und Anschauungen<br />

über das Soziale und den Stellenwert von Mentalem verflochten. Da dies ebenso für die<br />

Verwendung im Alltag wie in <strong>der</strong> Wissenschaft gilt, mit jeweils unterschiedlichen Motiven<br />

und zu unterschiedlichen Anlässen, ist <strong>der</strong> jeweilige Handlungsrahmen, also Kontext, ein<br />

notwendiger Bestandteil von Untersuchungen zur Literarität. Angesichts <strong>der</strong> vielfältigen Entwicklungsformen<br />

sowie <strong>der</strong> großen Beweglichkeit und Vielschichtigkeit des „mündlichen<br />

Textens“ – orale Technologien existieren als dominante Verkehrsform bestimmter sozialen<br />

Schichten, Min<strong>der</strong>heiten und Einwan<strong>der</strong>ungsgruppen in den mo<strong>der</strong>nen Staaten, neue Sprachbildungen<br />

entstehen an den Grenzen von Kolonialsprachen und in Län<strong>der</strong>n, in denen die<br />

Menschen mehrere Sprachen verwenden – relativiert sich das Bild vom eingeschränkten<br />

und entwicklungsarmen Kosmos oral geprägten Denkens. Damit wird auch das Konzept von<br />

Literarität als <strong>eine</strong>r klar definierbaren und universell übertragbaren technologisch-sozialen<br />

Kompetenz relativiert.<br />

In <strong>der</strong> nächsten – <strong>der</strong> sog. dritten – Phase etabliert sich <strong>eine</strong> soziokulturell und soziolinguistisch<br />

orientierte Betrachtungsweise von <strong>der</strong> Anwendung und den Kontexten mündlicher und<br />

schriftlicher Sprache im sozialen Geschehen. Statt Sprachstandards und Textkanons stehen<br />

nun die im Alltag üblichen vielseitigen Praktiken des Sprechens, Lesens und Schreibens<br />

als soziale Prozesse im Mittelpunkt. Gefragt wird nach den Sprechenden, Lesenden und<br />

Schreibenden und was sie zu unterschiedlichen Anlässen und Bereichen des Lebens wo,<br />

wie und wozu bewirken, also sich und etwas sozial verständigen und vermitteln wollen.<br />

Ausgangspunkt ist nicht mehr, wie in früheren Untersuchungen, die Gegenüberstellung von<br />

oral und literat, son<strong>der</strong>n das Wissen von zueinan<strong>der</strong> offenen Übergängen zwischen literaten<br />

und oralen Austauschweisen. Diese Übergänge entsprechen den in <strong>der</strong> Realität alltäglich<br />

werdenden sozialen Verkehrsformen, somit werden sie auch zentral für die Beschäftigung<br />

mit Literarität als Bestandteil und Form sozialen Handelns und von sozialen Handlungskontexten.<br />

Um dies an <strong>eine</strong>m Beispiel zu erläutern: Die beiden WissenschaftlerInnen Scribner und<br />

Cole untersuchten Literarität bei den Vai, <strong>eine</strong>r Volksgruppe in Liberia, die <strong>eine</strong> eigene<br />

Silben schrift für ihre Sprache entwickelt hatten und zusätzlich im Schulunterricht die englische<br />

und im Koranunterricht die arabische Schriftsprache verwendeten. Die Untersuchung<br />

brachte zu Tage, bei welchen Aktivitäten und wie die jeweilige Schrift als unterschiedlich<br />

tauglich eingeschätzt und eingesetzt wurde, aber auch, dass diese Brauchbarkeit Einfluss<br />

auf das Erlernen <strong>der</strong> verschiedenen Literarität(en) hatte. In <strong>der</strong> Literaritätsforschung werden<br />

nun das Mitteilen und <strong>der</strong> Einsatz von unterschiedlichen Medien und Methoden für das<br />

Vermitteln von unterschiedlichen Inhalten und zu diversen Anlässen – unabhängig davon,<br />

ob das Literate o<strong>der</strong> das Orale dominant bzw. marginal sind – zu wichtigen Dimensionen

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