05.10.2013 Aufrufe

eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sie nennen auch Beispiele, die zeigen, wie diese an<strong>der</strong>e Art des Verstehens und Benutzens<br />

aus den unterschiedlichen Praxisfel<strong>der</strong>n kommt und unterschiedliche Folgen für die Vorstellung<br />

von Praxisrelevanz und umsetzbare Praktiken für eben diese Bereiche hat.<br />

“[…] ‘semi-literacy’ means something quite different to a historian describing Medieval<br />

Europe than to an educator worried about performance on a standardized test or<br />

an international Non-Governmental Organization concerned with the consequences<br />

of universal schooling in Africa.” 2<br />

Unterschiedliche Begriffe verweisen also – und es ist unser Anliegen, das darzustellen –<br />

auf nur <strong>eine</strong> von vielen Möglichkeiten, das Thema zu umreißen. Diese Vorgangsweise scheint<br />

uns umso wichtiger, als sonst die Gefahr besteht – weil (fast) jede/r im Fall von Sprache<br />

o<strong>der</strong> Verhaltensregeln im Alltag sofort zu wissen glaubt, was richtig und was falsch sei,<br />

beson<strong>der</strong>s dann, wenn er/sie in <strong>eine</strong>m dieser Fel<strong>der</strong> als Experte/Expertin gilt –, das Thema<br />

<strong>der</strong> Einfachheit halber auf eindeutig Definierbares und damit Messbares zu reduzieren und<br />

die „<strong>eine</strong>“ richtige Methode finden und verteidigen zu wollen. Genau diese Haltung führt<br />

dann in <strong>der</strong> öffentlichen Debatte dazu, dass Zahlenergebnisse von Leistungsmessungen im<br />

Bereich Lesen und Schreiben so behandelt werden, als ginge aus den Zahlen bereits die<br />

Zu- und Beschreibung hervor.<br />

Der/die „Analphabet/in“<br />

Ein beson<strong>der</strong>s beliebtes, lei<strong>der</strong> nicht nur österreichisches Sujet des Journalismus ist <strong>der</strong>/die<br />

„Analphabet/in“. Selbst wenn den ZeitungsleserInnen die Begriffe funktionell, sekundär und<br />

primär als unterschiedliche Kategorien des „Analphabetismus“ vorgeführt und kurz erklärt<br />

werden, spielen diese Definitionen bei <strong>der</strong> journalistischen Differenzierung und Relativierung<br />

des Datenmaterials und <strong>der</strong>en Diskussion auf Basis des jeweils Untersuchten in den<br />

Medien üblicherweise so gut wie k<strong>eine</strong> Rolle. Stattdessen werden die Zahlen vor<strong>der</strong>gründig<br />

als Munition im ideologischen Dauerclinch um „Schulversagen“ und „Gleichmacherei“ eingesetzt.<br />

Untermauert mit manchmal haarsträubenden Beispielen: So brachte <strong>eine</strong> „seriöse“<br />

österreichische Zeitung zur „Veranschaulichung“ ihrer Thesen <strong>eine</strong>n handschriftlichen Auszug<br />

<strong>eine</strong>s 48-Jährigen Mannes. In dem durchaus flüssig geschriebenen, wenn auch etwas<br />

unbeholfenen Text gab es einige Rechtschreibfehler, was <strong>der</strong> Artikelschreiber als Anzeichen<br />

von Analphabetismus wertete – die (Un)Kenntnis mancher Rechtschreibregeln wurde also<br />

mit jener von Lesen und Schreiben gleichgesetzt.<br />

Auf diese Weise wird nicht nur ein brennendes Problem in je<strong>der</strong> Form bagatellisiert, <strong>der</strong><br />

Begriff „Analphabetismus“ ist völlig wertlos, wenn er alle, die beim Schreiben Fehler machen,<br />

ebenso einschließt wie jene, die gar k<strong>eine</strong>n Brief schreiben können. Schwerer noch aber<br />

wiegt, dass ganz darauf verzichtet wird, zu fragen, was es unter den heutigen Bedingungen<br />

bedeutet o<strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>t, nicht nur alphabetisiert, also gerade eingeführt, son<strong>der</strong>n literat,<br />

also kundig und versiert zu sein – im Alltag, für die Schule, im Beruf.<br />

Unterscheidung ist also essentiell, und zwar sowohl in <strong>der</strong> öffentlichen, etwa bildungspolitischen,<br />

als auch in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Debatte. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass<br />

2 Ebd., S. 1.<br />

Zentrale <strong>Frage</strong>stellungen und Begriffe<br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!