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eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

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Literaritätspraxis hierzulande – <strong>eine</strong> (sehr) kl<strong>eine</strong> Auswahl 91<br />

Erfolg. Bis dann ein Kollege, ein vergleichen<strong>der</strong> Sprachwissenschaftler, <strong>der</strong> am Anfang dabei<br />

war, wahrscheinlich aus Langeweile indische Schriftzeichen vor sich hingekritzelt hat. Sie<br />

haben ihn daraufhin gefragt, was das ist. Und er hat gesagt: „Das ist indisch!“ Damit war<br />

die Sache vom Tisch, es war klar, das wollten sie nicht. Nicht mein Sermon hat sie überzeugt,<br />

son<strong>der</strong>n die Schrift.<br />

Da wurde mir klar: Ich werde kein Schriftsystem vorschlagen. Aus m<strong>eine</strong>r Sicht war das<br />

Romani, die südslawische Lateinschrift, das Gescheiteste, mit den Hatscheks usw. Es gibt<br />

ja im wissenschaftlichen Bereich <strong>eine</strong> Romani-Schrifttradition. Die südslawische Lateinschrift<br />

hat sich dafür als am Besten geeignet erwiesen, weil sich diese Verschriftlichung damals<br />

hauptsächlich auf Romani-Varianten aus dem südslawischen Bereich stützte. Ich habe sie<br />

dann gefragt, wie sie gerne schreiben würden, und da stellte sich heraus, dass sie von zwei<br />

Schreibkonventionen ausgingen, <strong>der</strong> ungarischen und <strong>der</strong> deutschen. Das betrifft in erster<br />

Linie den Bereich <strong>der</strong> sch und <strong>der</strong> tsch, also <strong>der</strong> Zischlaute, und auch die sog. Palatalisierungen<br />

im Ungarischen – so wird zum Beispiel das, was man im Deutschen als dj schreibt,<br />

im Ungarischen mit gy geschrieben. Die überwiegende Mehrzahl des Geschriebenen war<br />

aber in <strong>der</strong> deutschen Schreibweise.<br />

Blieb das eigentlich Ihr einziges Romani-Projekt dieser Art?<br />

D. H.: Nein, mittlerweile dokumentieren wir alle österreichischen Romani-Varianten und<br />

weit darüber hinaus. Aber angefangen hat das alles mit dem „Laboratorium Burgenland-<br />

Roma“, wie ich das heute nenne. Weil aufgrund <strong>der</strong> isolierten Situation, aufgrund <strong>der</strong> Zugänglichkeit,<br />

aufgrund dessen, dass von dort ein Auftrag kam und nicht wir es waren, die zuerst<br />

hingekommen sind, und auch dadurch, dass Mozes Heinschink uns hingebracht hat, hatten<br />

wir eigentlich von Anfang an ein sehr privilegiertes Projekt. Mozes ist überall sehr beliebt<br />

und anerkannt, ich sage immer, ich bin nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Stellvertreter von Mozes.<br />

Und worauf mussten Sie bei <strong>der</strong> Umsetzung in Schrift beson<strong>der</strong>s achten?<br />

D. H.: Mit <strong>der</strong> Schriftlichkeit des Romani geht auch immer die <strong>Frage</strong> nach <strong>eine</strong>m Romani-<br />

Standard einher. Min<strong>der</strong>heitengruppen mit <strong>eine</strong>r Sprache ohne Schrifttradition versuchen<br />

immer, Sprachplanung so zu betreiben, wie man Sprachplanung für Nationalsprachen betreibt.<br />

Sie haben den großen Wunsch nach Standards, aber sie übersehen, dass man für die Durchsetzung<br />

dieser Sprachstandards <strong>eine</strong> Machtstruktur braucht, um sie über Schulen und<br />

ähnliche Institutionen zu implementieren. Schon in den 1980er Jahren wurde versucht, ein<br />

Standard-Alphabet für Romani zu kreieren. Es ist sehr ambitioniert, hat Zeichen, die k<strong>eine</strong><br />

an<strong>der</strong>e Sprache hat, wurde auf <strong>eine</strong>r Konferenz <strong>der</strong> internationalen Romani-Union beschlossen,<br />

wird aber nur in <strong>eine</strong>m einzigen Land, nämlich in Rumänien verwendet. Dort wurde<br />

es auf autoritäre Art und Weise verordnet. Die Kin<strong>der</strong> lernen in <strong>der</strong> Schule <strong>eine</strong> Roman-<br />

Varietät, die mit <strong>der</strong> kommunikativen Praxis zuhause in k<strong>eine</strong>m Zusammenhang steht. Es<br />

ist ungefähr so, wie mit unseren Dialekt sprechenden Kin<strong>der</strong>n, die dann in die Schule kommen.<br />

Nur härter, weil sie gar nicht wissen, was sie mit dem Standard anfangen sollen, die<br />

Funktionen fehlen ja. Deshalb sind die Standards beim Schreiben im formellen, öffentlichen<br />

Bereich eher etwas Emblematisch-Symbolisches.<br />

Das erinnert mich an <strong>eine</strong> Begebenheit mit <strong>der</strong> berühmten Roma-Sängerin Ruza Lakatos.<br />

Einmal bat ich sie, bei <strong>eine</strong>r Buchpräsentation in Klagenfurt ihr eigenes Märchen vorzule-

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