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eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

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Literaritätspraxis hierzulande – <strong>eine</strong> (sehr) kl<strong>eine</strong> Auswahl<br />

Hat ein Mensch noch niemals das Geheul <strong>eine</strong>r Hyäne gehört und ihr Näherkommen gefürchtet,<br />

wird er/sie nicht in <strong>der</strong> Lage sein, die Imitation, Wie<strong>der</strong>gabe und Symbolisierung des<br />

Geheuls in <strong>der</strong> Musik zu hören. Ohne das Wissen um die Zuordnung von emotionalen<br />

Stimmungen zu <strong>eine</strong>m ruhigen Tagesanfang wird die musikalische Zuweisung in <strong>eine</strong>m<br />

indischen Morgen-Raga nicht hörbar. Damit Musik in ihrer mannigfachen Ausdrucks- und<br />

Bedeutungsvielfalt zu hören ist, <strong>eine</strong>m/r etwas zu sagen hat, bedarf es <strong>der</strong> Vermittlung, <strong>der</strong><br />

Einführung in und <strong>der</strong> Beschäftigung mit den von ihr intendierten Zusammenhängen. Ihr<br />

Hören benötigt <strong>eine</strong> o<strong>der</strong> mehrere Lesarten <strong>der</strong> Zeichensysteme, über die sie etwas zum<br />

Erklingen bringen. Aber sobald etwa <strong>der</strong> Hyänenschrei als Symbol <strong>der</strong> Furcht kenntlich<br />

wird, kann dieses Symbol in jedem Zusammenhang s<strong>eine</strong>n universellen kommunikativen<br />

Gehalt entfalten. Und es kann – ganz so wie <strong>der</strong> Wolf im Märchen – zugleich Einblick in<br />

<strong>eine</strong> entfernte Erfahrungswelt <strong>der</strong> Gefahr sein und dadurch neue Bedeutungsdichte als<br />

Symbol für die Gefahren und Bedrohlichkeiten auch <strong>der</strong> inneren Welt gewinnen.<br />

Über diese Zuordnung und die Übertragung in die heutige Welt <strong>der</strong> Befürchtungen und dem<br />

Anknüpfen und Benennen von Stimmungsunterschieden im Laufe <strong>eine</strong>s Tages werden diese<br />

durch <strong>eine</strong> entsprechende musikalische Leseweise <strong>der</strong> Modulationsmittel dem Erfassen zugänglich<br />

und erweitern so insgesamt den Horizont <strong>der</strong> Wahrnehmung von sinnlichen Impulsen.<br />

Gelingt es, diese Zeichenwelten <strong>eine</strong>r Zeit und ihrer <strong>Frage</strong>stellungen lesbar und ihre Verbindung<br />

mit den <strong>Frage</strong>n junger Menschen von heute, die ihren Lebensweg inmitten all <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Wi<strong>der</strong>sprüche und Fallen suchen, nachvollziehbar zu machen, dann können auch<br />

die Dialoge des Helden Ajun mit dem Gott Krishna in <strong>der</strong> Bhagavad Gita o<strong>der</strong> die Abenteuer<br />

des Parzival von Wolfram von Eschenbach – beides Epen aus denkbar fernen Zeiten,<br />

weit auseinan<strong>der</strong> liegenden Kulturräumen und kulturellen Ausdrucksweisen – sinnliches<br />

und emotionales Erleben zum Klingen und Schwingen bringen, lebendig und gegenwärtig<br />

werden und zugleich von Bedeutung sein. Eine solche neue Lesart kann dann <strong>eine</strong> filmischtheatrale<br />

sein, wie die des englischen Regisseurs Peter Brook für die Mahabharata, o<strong>der</strong><br />

<strong>eine</strong> musikalische, wie die <strong>eine</strong>s Pop-Parzifals von Christoph Schlingensief.<br />

Das Verhältnis von Musik und Literarität hat auch viele Gemeinsamkeiten mit dem breit<br />

gefassten musikalischen Verständnis von Crossover. Musikalisches Crossover bezeichnet das<br />

Vermischen von unterschiedlichen Traditionen und Bedeutungsebenen in <strong>der</strong> Musik durch<br />

das Überblenden von Ausdruckstechniken, Instrumenten, Stilelementen, Genres, um sie<br />

durch <strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e Art zu lesen, neue Klangwelten und Klangtechniken zu gestalten und<br />

das Repertoire <strong>der</strong> Darstellungsmittel zu erweitern. Dieses Entlehnen und Vermischen von<br />

interpretativen Techniken mit jedem Akt des Aufgreifens ist ein Kennzeichen <strong>der</strong> Entwicklungs -<br />

geschichte sowohl <strong>der</strong> Musik als auch <strong>der</strong> Literatur als Kunstformen. Das Kulturgewebe<br />

je<strong>der</strong> Zeit ist <strong>eine</strong> Vermischung unterschiedlicher medialer Ausdruckskulturen und Aussage -<br />

weisen und wird so durch die Vermischung von Musik, Text, Gesang, Drama, Tanz – wie<br />

<strong>eine</strong> Vielfalt von miteinan<strong>der</strong> kommunizierenden Texten, die immer wie<strong>der</strong> neu formuliert<br />

und vermischt werden – mehrfach lesbar. Das Bedürfnis nach dem Überblenden als Mittel,<br />

die Welt und sich selbst zu verstehen, wird in <strong>der</strong> Musik von heute beson<strong>der</strong>s deutlich.<br />

Nicht nur in <strong>der</strong> Popmusik, beim Rappen o<strong>der</strong> im Hip-Hop finden sich Übertragungen vieler<br />

musikalischer und literarischer Genres; Einflüsse <strong>der</strong> asiatischen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> afrikanischen<br />

Klangerzeugung und Klanggestaltung wurden und werden seit dem 20. Jahrhun<strong>der</strong>t für<br />

viele musikalische Strömungen in den USA und Europa zu <strong>eine</strong>r Inspirationsquelle bei <strong>der</strong><br />

Entwicklung neuer Klangideen.<br />

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