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eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

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Literaritätspraxis hierzulande – <strong>eine</strong> (sehr) kl<strong>eine</strong> Auswahl<br />

B. S.: Man hat uns übrigens vor kurzem von <strong>eine</strong>r neuen Aktivität des Vereins Roma-Service<br />

berichtet, sie kochen gemeinsam traditionelle Roma-Gerichte in Familien. Und erzählten,<br />

wenn sie kochen, sprechen alle Roman. Das machen sie sonst nicht beim Kochen, nur wenn<br />

<strong>der</strong> Verein kommt. Dann ist es zwar eigentlich offiziell informell, aber doch so, dass die<br />

Leute das Gefühl haben, wir kommen jetzt zusammen, um zu kochen und zu reden, und<br />

dann sprechen wir Roman.<br />

Und wie ist es mit dem Lesen <strong>der</strong> Zeitschriften, die sind ja meistens zweisprachig,<br />

verän<strong>der</strong>t das nicht auch die Sprechgewohnheiten?<br />

D. H.: Ich habe bei den Burgenland-Roma ein Gefühl dafür bekommen, wie hoch die Analpha -<br />

betenrate in unserer Gesellschaft wirklich ist. Dass viele eigentlich das Wort Billa nur an<br />

dem Symbol erkennen, am Schriftzug. Wenn sie die Zeitschriften lesen, lesen sie zuerst<br />

das Deutsche und dann schauen sie nach, wie das auf Romani heißt.<br />

B. S.: Beim Schreiben ist es ähnlich. Die bereits erwähnte Zeitschrift D/ROM/A beschäftigt<br />

sich vor allem mit internationalen politischen Themen und mit Kunst. Und dafür gibt es<br />

k<strong>eine</strong> originalsprachigen Romani-Texte, also werden die Artikel auf Deutsch geschrieben<br />

und dann erst ins Romani übersetzt.<br />

D. H.: Genauso ist ja auch unsere Schriftlichkeit entstanden: Das Germanische ist auf das<br />

Lateinische draufprojiziert worden. Und so wird jetzt hier gearbeitet – das ist ein Code-<br />

Mapping. Wobei man vor dem Problem steht, dass das Romani eigentlich <strong>eine</strong> Intimvarietät<br />

ist, es ist funktional restringiert, wie man so schön sagt. Es ist auf das Informelle orientiert,<br />

und die Expansion in formelle Domänen findet dann durch das Übersetzen statt. Für bestimmte<br />

Texte muss also ein neues Vokabular entwickelt werden, durch diese Schriftlichkeit ent -<br />

wickelt sich auch <strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e Art von Satzbau. Auf diese Weise passiert Sprachwandel, <strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> Schriftlichkeit <strong>eine</strong> gewisse Fremdheit bewirkt. Man braucht das deutsche Vorbild,<br />

um das Romani verstehen zu können.<br />

Für das Romani ist Schriftlichkeit fremd. Und dieses Problem <strong>der</strong> Nichtschriftlichkeit ist ja<br />

auch ein Problem für den Bildungsprozess <strong>der</strong> Roma. In Ethnokulturen und Soziostrukturen,<br />

bei denen die Kommunikationsbasis <strong>eine</strong> schriftlose Sprache ist, gehen die Menschen an<strong>der</strong>s<br />

an den Wissenserwerb heran. Und die haben natürlich Schwierigkeiten mit unserem nur<br />

auf Schriftlichkeit ausgerichteten Schulsystem und auch Erzählsystem, mit unserer Schriftkultur.<br />

Mir ist das aufgefallen, als ich das Aufwachsen m<strong>eine</strong>r Tochter mit dem von Roma-Kin<strong>der</strong>n<br />

verglichen habe. Schriftlichkeit beginnt bei uns schon im Mutterbauch. Die Kin<strong>der</strong> bekommen<br />

als erstes dieses Badebuch – ein Buch! –, sie sind permanent mit Schrift konfrontiert,<br />

es ist überall Schrift, und in <strong>der</strong> eigenen Sprache.<br />

Von offizieller österreichischer Seite, was gab und gibt es da an Unterstützung für<br />

Ihre Arbeit und was an Wi<strong>der</strong>ständen?<br />

D. H.: Als ich 1993 mit dem ersten Projekt angefangen habe, wurde ich auf unserer Fakultät<br />

gefragt, ob das Gerücht, dass ich auch ein „Zigeuner“ bin, wirklich stimmt. 1995, als<br />

<strong>der</strong> „Linguistik-Kaiser“ von Österreich, Professor Dressler, und sein Adlatus beim Begräb-

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