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eine zentrale Frage der Wissensvermittlung (pdf)

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Literaritätspraxis hierzulande – <strong>eine</strong> (sehr) kl<strong>eine</strong> Auswahl<br />

Über all diesen erfreulichen Erfolgsmeldungen sollte allerdings nicht vergessen werden,<br />

dass ein beträchtlicher Teil dieser größten europäischen Min<strong>der</strong>heit noch immer unter höchst<br />

prekären Verhältnissen lebt.<br />

Bei den beiden befragten Wissenschaftern handelt es sich um:<br />

Dieter Halwachs, Linguist an <strong>der</strong> Universität Graz, wissenschaftlicher Leiter des Romani-<br />

Projekts an s<strong>eine</strong>r Universität und Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zu<br />

diesem Thema.<br />

Barbara Schrammel, Linguistin an <strong>der</strong> Universität Graz, Mitarbeiterin an wissenschaftlichen<br />

Projekten und Publikationen mit dem Schwerpunktthema Romani.<br />

Beschreiben Sie bitte, wie Ihr Projekt begann und was Ihnen daran wichtig ist.<br />

D. H.: Das Projekt war mir deshalb wichtig, weil es in ihm darum ging, marginalisierten<br />

und stigmatisierten Gruppen durch unsere Arbeit zu helfen, sich zu emanzipieren, ihr Selbstbewusstsein<br />

und ihr Selbstwertgefühl für ihre eigene Kultur zu stärken. Also das, was die<br />

Gesellschaft ihnen bisher zu geben verweigert hat, nämlich Menschenwürde und kulturelle<br />

Würde über die Wertschätzung ihrer Kultur. In unserem kulturellen Kontext ist Anerkennung<br />

von Kultur mit <strong>der</strong> Anerkennung von Sprache verbunden, und das wie<strong>der</strong>um sehr<br />

stark mit Schriftlichkeit – denn <strong>eine</strong> Sprache ohne Schrift gilt nicht als vollwertige Sprache.<br />

Das ist ansch<strong>eine</strong>nd Commonsense in unserer Gesellschaft.<br />

Es begann eher mit <strong>eine</strong>m Zufall. Einer m<strong>eine</strong>r Lehrer, Mozes Heinschink (international<br />

bekannter Experte für Romani-Sprachen, <strong>der</strong> seit Jahrzehnten Märchen, Lie<strong>der</strong> und Erzählungen<br />

<strong>der</strong> Roma sammelt; Anm. d. Aut.), hat mich den Burgenland-Roma vorgestellt, und Emmerich<br />

Gärtner-Horvath, ein Vertreter <strong>der</strong> Burgendland-Roma, hat mich gefragt, ob ich ihnen helfe,<br />

den Sprachtod bei ihnen aufzuhalten. Ich habe ja gesagt, ohne zu wissen, wozu ich eigentlich<br />

ja sage. Das war 1992. Die Burgenland-Roma wollten das Aussterben ihrer Sprache, des<br />

Burgenland-Roman, verhin<strong>der</strong>n und waren deshalb interessiert, dass das, was weiterzugeben<br />

ist, aufgezeichnet und verschriftlicht wird, um es zu bewahren.<br />

Ich fragte dann m<strong>eine</strong>n akademischen Lehrer Norman Denison, was ich jetzt tun soll. Ich<br />

bin zu diesem Zeitpunkt zwar Soziolinguist gewesen, habe aber eher im Bereich <strong>der</strong> Diskurs -<br />

analyse, wie man das heute nennt, gearbeitet – Politsprachen und nonverbale Kommunikation,<br />

ein damals nicht unumstrittener Bereich innerhalb <strong>der</strong> österreichischen Linguistik und<br />

natürlich auch nicht innerhalb des Grazer Instituts. Ich habe also Denison damit konfrontiert,<br />

dass ich ja gesagt habe. Daraufhin gab er mir den wichtigsten Ratschlag, den ich als<br />

Wissenschaftler je bekommen habe: „Vergessen Sie sofort 50% Ihres Fachwissens und stecken<br />

Sie die an<strong>der</strong>en 50% möglichst weit zurück in die Region Ihres Hirns, wo es nicht stört.<br />

Gehen Sie zu den Roma raus, und benehmen Sie sich wie ein Mensch!“<br />

Das war dann <strong>der</strong> Weg, den wir gegangen sind. Ich habe gewusst, ich weiß nichts. Ich hatte<br />

noch <strong>eine</strong>n zweiten akademischen Lehrer, Karl Sornig, <strong>der</strong> dieses Projekt auch geför<strong>der</strong>t<br />

hat, weil es ihn interessierte. So konnte ich an <strong>der</strong> Universität Projektseminare zum Romani<br />

machen, bei denen ich m<strong>eine</strong>n Mitarbeitern – das wurde dann die erste Generation <strong>der</strong> Mitarbeiter,<br />

die aus dem Projekt hervorgegangen sind – nur um <strong>eine</strong> Nasenlänge voraus war.

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