76 KAPITEL 4. EIGENSCHAFTEN VON VERVOLLSTÄNDIGUNGENLemma 4.1.10: E<strong>in</strong>e syntaktische bzw. modelltheoretische Vervollständigung erfüllt diebeschränkte Schnittregel genau dann, wenn die zugehörige vervollständigte Folgerungsrelationsie erfüllt.Beweis: Im Falle der syntaktischen Vervollständigung ist die Übere<strong>in</strong>stimmung wieder offensichtlich.Zu zeigen ist also nur noch: sel erfüllt RCUT ⇐⇒ ⊢ ” sel erfüllt RCUT“.• ”=⇒ “: Aus Φ ⊢ sel ϕ folgt mit den üblichen Abkürzungen wieder sel(I Φ ) ⊆ I Φ ∩ I ϕ ⊆ I Φ .Da sel die Eigenschaft RCUT nach Voraussetzung erfüllt, gilt also sel(I Φ ) ⊆ I Φ ∩ I ϕ .Zusammen mit Φ ∪ {ϕ} ⊢ sel ψ, d.h. sel(I Φ ∩ I ϕ ) ⊆ I ψ , folgt sel(I Φ ) ⊆ I ψ , d.h. Φ ⊢ sel ψ.• ⇐= “: Gelte sel(I ” 1 ) ⊆ I 2 ⊆ I 1 und sei Φ := Th(I 1 ), ϕ := th(I 2 ) und ψ := th ( sel(I 2 ) ) .Dann folgt Φ ⊢ sel ϕ. Außerdem gilt wegen I 1 ∩ I 2 = I 2 trivialerweise Φ ∪ {ϕ} ⊢ sel ψ. Da⊢ sel die Eigenschaft RCUT hat, folgt Φ ⊢ sel ψ, d.h. sel(I 1 ) ⊆ sel(I 2 ).✷Die beschränkte Schnittregel impliziert übrigens die Idempotenz von sel, d.h.sel ( sel(I) ) = sel(I)(man setze I 2 := sel(I 1 )). Es ist ja auch sehr naheliegend, zu fordern, daß nach Auswahlder <strong>in</strong>tendierten Modelle e<strong>in</strong>e weitere Anwendung von sel wirkungslos bleiben sollte.E<strong>in</strong>e Verallgeme<strong>in</strong>erung davon, die Zusammenfassung der beschränkten Monotonieund der beschränkten Schnittregel ergibt nun die Kumulierung. Sie ist e<strong>in</strong>e grundlegendeund sehr nützliche Eigenschaft von Vervollständigungen:E<strong>in</strong>e Vervollständigung comp/⊢ c /sel ist kumulie-Def<strong>in</strong>ition 4.1.11 (kumulierend):rend (CUM) genau dann, wenn• comp(Φ) ⊢ ϕ =⇒ comp(Φ ∪ {ϕ}) ∼ = comp(Φ),• Φ ⊢ c ϕ =⇒ ( Φ ∪ {ϕ} ⊢ c ψ ⇐⇒ Φ ⊢ c ψ ) ,• sel(I 1 ) ⊆ I 2 ⊆ I 1 =⇒ sel(I 1 ) = sel(I 2 ).Aus der modelltheoretischen Sicht bedeutet diese Eigenschaft, daß sich die Menge der<strong>in</strong>tendierten Modelle nicht dadurch ändern sollte, daß ohneh<strong>in</strong> nicht <strong>in</strong>tendierte Modelleexplizit ausgeschlossen werden.Bei <strong>Datenbanken</strong> entspricht das der ”Materialisierung e<strong>in</strong>er Sicht“: Wenn e<strong>in</strong>ige Folgerungenaus der vervollständigten Axiomenmenge sehr häufig berechnet werden, bietetes sich an, sie <strong>in</strong> der Datenbank explizit abzuspeichern. Die Kumulation besagt nun, daßdies möglich ist, ohne das Antwortverhalten der Datenbank zu ändern.Die Kumulation ist also ähnlich wie die Konsistenzerhaltung e<strong>in</strong>e Eigenschaft, die e<strong>in</strong>egute Vervollständigung unbed<strong>in</strong>gt haben sollte.Lemma 4.1.12: E<strong>in</strong>e syntaktische bzw. modelltheoretische Vervollständigung ist genaudann kumulierend, wenn die zugehörige vervollständigte Folgerungsrelation kumulierendist.Beweis: Da die Kumulation e<strong>in</strong>e offensichtliche Zusammensetzung der Eigenschaften RMONund RCUT ist, folgt die Behauptung direkt aus Lemma 4.1.8 und Lemma 4.1.10.✷
4.1. FOLGERUNGSREGELN 77Die Folgerungsregeln beschränkte Monotonie und beschränkte Schnittregel wurden <strong>in</strong>[Gab85] e<strong>in</strong>geführt, die Kumulierung <strong>in</strong> [Mak89]. Dort wurde auch gezeigt, daß etwadie Default-Logik nicht immer kumulierend ist. In [Bra90b] wurde gezeigt, daß auch dieCircumscription erster Stufe diese Regel verletzen kann. In der Theorie der Wahlverfahrenist e<strong>in</strong>e Eigenschaft, die der beschränkten Monotonie entspricht, schon seit m<strong>in</strong>destens1975 bekannt [Mou85] ( Aizerman-Eigenschaft“).”Die Deduktions-EigenschaftAls nächstes sei die Regel von der E<strong>in</strong>führung der Implikation ”→“ untersucht:Φ ∪ {ψ 1 } ⊢ c ψ 2 =⇒ Φ ⊢ c ψ 1 → ψ 2 .Dies ist auch das Deduktionstheorems [BN77] (bzw. die e<strong>in</strong>e Richtung davon [BW91]).Da diese Regel nicht l<strong>in</strong>ksstabil ist, ist es auch nicht überraschend, daß sie nichtfür beliebige Vervollständigungen gilt. Es wird sich aber herausstellen, daß es sowohlvernünftige Vervollständigungen gibt, für die sie gilt (nämlich die m<strong>in</strong>imalen Modelle),als auch solche, für die sie nicht gilt (z.B. die GCWA). Damit kann diese Regel also zurKlassifikation von Vervollständigungen dienen, und nicht (wie Konsistenzerhaltung undKumulierung) zur Ausscheidung ungeeigneter Vervollständigungen.Beispiel 4.1.13: Wie oben schon erwähnt, verletzt die GCWA [M<strong>in</strong>82] diese Regel.Die zugrundeliegenden <strong>Defaults</strong> s<strong>in</strong>d hier ¬p und ¬q. Die e<strong>in</strong>zige Besonderheit trittbei Φ := {p ∨ q} auf, dort stehen die beiden <strong>Defaults</strong> im Konflikt mite<strong>in</strong>ander und es wirdke<strong>in</strong>er von beiden angenommen.Φ [pq] [p¯q] [¯pq] [¯p¯q] comp(Φ)falsefalse¬p, ¬q • ¬p, ¬q¬p, q • ¬p, q¬p ◦ • ¬p, ¬qp, ¬q • p, ¬q¬q ◦ • ¬p, ¬qp ↔ ¬q • • p ↔ ¬q¬p ∨ ¬q ◦ ◦ • ¬p, ¬qp, q • p, qp ↔ q ◦ • ¬p, ¬qq ◦ • ¬p, q¬p ∨ q ◦ ◦ • ¬p, ¬qp ◦ • p, ¬qp ∨ ¬q ◦ ◦ • ¬p, ¬qp ∨ q • • • p ∨ qtrue ◦ ◦ ◦ • ¬p, ¬qWie <strong>in</strong> Beispiel 4.1.2 wird hier die Vervollständigung durch Auflisten der Selektionsfunk-