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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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verwesender leIchnAm<br />

Einleitung bereits eingegangen wurde. Hatte Francisco de Goya die Bildaus-<br />

sage 1814 als Radierung noch grafisch dargestellt, bearbeiten die Brüder<br />

Chapmann das inhaltgebende Motiv einhundertundachtzig Jahre später<br />

skulptural-spielerisch: das lebensgroße Werk aus Fiberglas und Plastik er-<br />

innert durch seine Materialität hauptsächlich an ein übergroßes Spielzeug<br />

(vgl. Ellis 2003: 207). Die Positionierung der zerstückelten Schaufenster-<br />

puppen am Baum richtet sich dabei exakt nach dem historischen Vorbild.<br />

Allein die unruhige Struktur <strong>des</strong> Baumes ist durch seine fehlenden Blätter<br />

nun zurückgenommen. Es bleiben Baumstamm, drei daran festgebundene<br />

tote, männliche, kastrierte Körper – von denen einer in seine drei Teile<br />

Körperrumpf, Arme und Kopf zerstückelt ist – und eine Art Inselgrund,<br />

auf dem Baumstumpf und Schaufensterpuppen angebracht sind. Die Far-<br />

bigkeit der Plastik fokussiert den Blick <strong>des</strong> Betrachters, noch mehr als bei<br />

Goyas Radierung, auf die blutenden – nun täuschend realistisch wirkenden<br />

– Wunden der Toten, auf die fehlenden Geschlechtsteile und die Schnitt-<br />

stellen an Kopf, Oberarmen und Hals <strong>des</strong> geköpften Toten. Durch die von<br />

den Chapmans geschaffene Inselsituation erscheint die Grausamkeit <strong>des</strong><br />

Mor<strong>des</strong> noch unsinniger, als sie von Goya bereits initiiert worden ist (vgl.<br />

II.2.1.5).<br />

Wie in dem historischen Vorbild gibt es auch im Bildzitat der Chapmans<br />

keinen Hinweis auf die Identität der Opfer oder Täter. Während sich diese<br />

in Goyas Desastres de la Guerra durch andere Grafiken der Serie jedoch er-<br />

schließen lassen, bleiben sie in dem Werk von 1994 gänzlich unbekannt.<br />

Darüber hinaus gibt es keinen Anhaltspunkt darauf, wo sich die abgetrenn-<br />

ten Genitalien der drei Männer befinden. Es entsteht der Eindruck, der<br />

unbekannte Mörder habe diese als makabre Trophäen an sich genommen.<br />

Die ambivalente Darstellung der Chapmans, einerseits die Leichen und ihre<br />

Schändung sehr detailliert nachzubilden und dazu andererseits Schaufen-<br />

sterpuppen als Material einzusetzen, die nach Patricia Ellis spielzeughaft an-<br />

muten (vgl. ebd.), mag nicht nur physischen <strong>Ekel</strong> auslösen. „Schockierend<br />

geschmacklos und pervers schön“ (Gill 2003: 19) zeigt die Skulptur aus-<br />

schließlich die Obszönität von Gewaltverherrlichung.<br />

Hell ist eine aus neun Glasvitrinen bestehende Rauminstallation, die in<br />

ihrem Grundriss der Form eines Hakenkreuzes entspricht. In jeder Einzel-<br />

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