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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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sche Ordnung der sozialen Gesellschaftsschichten einerseits in Bildnissen,<br />

die an die Mildtätigkeit gegenüber Armen und Bedürftigen erinnern sollen<br />

(z. B. Jacopo Bassano). Andererseits dürfen nur unbekannte Leichen, die<br />

von niederem Stande sind, der Obduktion zugeführt werden (vgl. Lehmann<br />

2003: 80). Insofern werden sie auch zu makaberen Bildmotiven der zuneh-<br />

mend beliebten Sezierungsdarstellungen, bevor dann in den Genrebildern<br />

<strong>des</strong> 16. und 17. Jahrhunderts Armut und Krankheit immer weniger mora-<br />

lisch kodiert sind (z. B. Bruegel d. Ä., Callot, Murillo).<br />

der Andere<br />

Versehrte und behinderte Menschen erfahren in der bildenden Kunst<br />

zwiespältige Aufmerksamkeit. Wie Klaus Honnef und Gabriele Honnef-<br />

Harling darlegen, werden sie zwar keineswegs aus dem Blickfeld verbannt,<br />

aber auch nicht als selbstverständliche Mitglieder der Gesellschaft akzep-<br />

tiert. Insbesondere den Zwergen und Hofnarren sei die zweifelhafte Rolle<br />

zugefallen, allein durch ihre bloße Anwesenheit den Glanz, den Reichtum<br />

und die Schönheit der von Geburt und natur Bevorzugten umso herrlicher<br />

erscheinen zu lassen (vgl. Honnef/Honnef-Harling: 9f). Der narr gilt nicht<br />

nur als körperlich missgebildet, sondern auch als dumm bzw. geisteskrank.<br />

Während die soziale Stellung zu Lebzeiten eines Menschen in der christlichen<br />

Kunstgeschichte auf eine Strafe Gottes zurückgeführt wird, wird die<br />

medizinische Andersartigkeit oftmals als eine vom Teufel und <strong>des</strong>sen Machenschaften<br />

bewirkte Perversion verstanden (vgl. Charcot/Richer 1887:<br />

5). Erst im 17. Jahrhundert portraitiert Diego Velázquez den Hofnarren<br />

ohne karikaturistische Hinweise.<br />

noch im 18. Jahrhundert wird bei medizinischen Behandlungen kaum<br />

zwischen Kranken, Deformierten, Behinderten und Geisteskranken unterschieden.<br />

Auch auf den Weltdarstellungen und in Kuriositätenkabinetten<br />

werden sie gemeinsam als Exoten präsentiert. Erst die Erkenntnisse der<br />

vergleichsweise neuen Wissenschaft Psychologie führen in der zweiten<br />

Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts zu einer Unterscheidung körperlich, geistig<br />

und psychisch Kranker. Doch es bleibt vor allem der Avantgarde überlassen,<br />

in der Kunst Partei für Randgruppen zu ergreifen. Wie sich zeigte, tut<br />

sie dies teils aus Gesellschaftskritik und Empathie, teils aus dem Wunsch<br />

heraus, die ungeschriebenen Regeln der ‚schönen’ Künste zu verletzen<br />

(Egon Schiele, Otto Dix).<br />

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