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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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„Die Gesichtszüge sind ziemlich genau nachmodelliert. Das hochgeschlos-<br />

sene Kleid mit flachem Busen verwandelt sich in einen nackten Oberkörper<br />

mit mächtigen falschen Brüsten; einziges Relikt <strong>des</strong> Klei<strong>des</strong>: der identische<br />

Kragen mit Zipfeln.“ (ebd. 25)<br />

Obwohl die Künstlerin hier zweimal in die Rolle der vetula schlüpft, mit<br />

grauem Haar und traditioneller weißer Spitzenkleidung ausstaffiert, oder,<br />

wie in Untitled # 222, mit falschen Hängebrüsten bestückt, spielen diese Ar-<br />

beiten eher mit dem komischen Aspekt <strong>des</strong> <strong>Ekel</strong>s: Sherman erprobt quasi<br />

am eigenen Körper die Reinkarnation als alte Frau durch ‚mediale Wieder-<br />

geburt’.<br />

Jan Saudeks Werk ist in hohem Maße von zwei Umständen geprägt: zum<br />

einen von seiner Kindheit, während der er zusammen mit seinem Zwil-<br />

lingsbruder Karl in einem Konzentrationslager interniert ist und nur durch<br />

einen Glücksfall den Experimenten von Josef Mengele entkommt, zum<br />

anderen durch den Besuch der Ausstellung The Family of Man, die er als<br />

Ausdruck eines tiefen Bedürfnisses nach familiärer Harmonie empfindet<br />

und die ihm die Fotografie als Ausdrucksmittel eröffnet (vgl. Museum<br />

Ludwig Köln 2001: 158). Vor diesem Hintergrund entwickelt Saudek in<br />

der sozialistischen Tschechoslowakei zunächst eine Bildsprache, die auf der<br />

Glorifizierung <strong>des</strong> klassischen Rollenverständnisses beruht. Die Frauen sei-<br />

ner Bilder dieser Phase erscheinen zärtlich, verführerisch und mütterlich,<br />

die Männer stark und schutzbietend, die Kinder niedlich und abhängig.<br />

vetulA<br />

Mit fortschreitenden Jahren wird das Phänomen ‚Zeit’ in seinen Fotografien<br />

zunehmend wichtig. Jan Saudek modifiziert die Rollen, er profaniert, entweiht<br />

und verunreinigt sie; nihilismus, Verfall und niedergang ziehen in<br />

sein künstlerisches Werk ein. Sexualität, das Verhältnis von Mann und Frau,<br />

Alter und Jugend, Kleidung und nacktheit, sind die Themen, mit denen<br />

er sich nun beschäftigt. Als weibliche Vanitas-Bilder entstehen z. B. die<br />

schwarzweißen Arbeiten Ten Years in the Life of My Veronika (Abb. 22a-c)<br />

und The Butterfly Which Never Took Off (Abb. 23a und 23b). Das fotografische<br />

Triptychon Ten Years in the Life of My Veronika erinnert an die kunstgeschichtlichen<br />

Darstellungen der drei Alter der Frau. Es präsentiert die<br />

abgelichtete nackte Frau augenscheinlich in drei unterschiedlichen Phasen<br />

binnen zehn Jahren, worauf der Titel hindeutet. Die erste Tafel zeigt sie<br />

sehr schlank, fast androgyn, mit mädchenhafter Figur und langen blonden<br />

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