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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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FrAgmentIerung <strong>des</strong> Körpers<br />

(fremd verschuldeten!) Unfall mehr als dreißig Operationen hinter sich ge-<br />

bracht hat (Abb. 267, 1944). Das Gemälde zeigt sie im Stützkorsett, das<br />

ihren Leib völlig umgibt. Die Wirbelsäule ist verschwunden, an ihre Stelle<br />

ist eine antike, mehrfach gebrochene Säule ‚implantiert’. Dutzende nägel<br />

spicken ihr Fleisch. Auch für Kahlos Bild gilt, dass ihr schwerer Unfall<br />

zwar anschließend die Motivwahl ihrer Kunst beeinflusst hat, eine deutliche<br />

Trennung von Kunst und Leben dennoch weiter besteht. Der Unfall<br />

war nicht als künstlerisch-ästhetische Aktion geplant. Die auf dem Bild<br />

dargestellten Verletzungen stimmen nicht mit ihren realen Verletzungen<br />

überein, sondern werden im Sinne einer Selbstverletzung inszeniert. Beide<br />

Künstler verweisen damit auch auf weitere kunstgeschichtliche Selbstportraits<br />

mit Wunde, die nicht im Zusammenhang mit ‚Selbstverletzungen im<br />

Dienste der Kunst’ stehen (vgl. z. B. Selbstbildnis mit Augenklappe, Caspar<br />

David Friedrich, 1802).<br />

II.4.1.5 Surrealistische Sichtweisen<br />

Die Fragmentierung <strong>des</strong> Körpers bezieht sich in der Moderne nicht nur auf<br />

die Selbstverletzung. In dem avantgardistischen Film Der Andalusische Hund<br />

zerstören die Surrealisten Luis Buñuel und Salvador Dali in den 1920er<br />

Jahren mit einem Schnitt das scheinbar reale Auge einer Frau (Abb. 268, Un<br />

chien andalou, Filmstill, 1928). Sie erinnern damit zum einen an das Martyrium<br />

der heiligen Lucia, der nach christlicher Legende die Augen ausgestochen<br />

wurden. Darüber hinaus markieren sie einen Wendepunkt <strong>des</strong> Körperbewusstseins<br />

im 20. Jahrhundert:<br />

„Die Eröffnungssequenz dürfte die berühmteste und effektivste ihrer Art<br />

in der gesamten Filmgeschichte sein. Wie in einem Märchen führt uns der<br />

Zwischentitel Es war einmal… in das Geschehen ein. Buñuel pafft eine Zigarette,<br />

schärft ein Rasiermesser. Er tritt hinaus auf einen Balkon und erblickt<br />

den Vollmond. Eine Wolke nähert sich dem Mond. Plötzlich scheint eine<br />

Frau vor ihm zu sitzen, und er öffnet mit seiner Hand ihr linkes Auge weit.<br />

Die Wolke zerschneidet den Mond und im Gegenschnitt tut das Rasiermesser<br />

das gleiche auf unfassbar brutale Art und Weise mit dem Auge der Frau.<br />

Die Kamera bleibt in Detailaufnahme unangenehm nah an dem in zwei<br />

Hälften zerschnittenen Auge, bis eine Flüssigkeit aus dem verstümmelten<br />

Organ heraustropft.“ (Last o. J.: www.filmzentrale.com)<br />

Der Betrachter erhält keine Hintergrundinformationen über das Opfer. Das<br />

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