09.12.2012 Aufrufe

Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Abnorme sexuAlItät<br />

zwei Abhänge, die Perversion und die neurosen als das Negativ der Perversion<br />

(vgl. Menninghaus 1999: 280). Dass seine Aktionen noch heute dermaßen<br />

schockieren, ekeln und mit allen erdenklichen Tabus belegt sind, scheint da-<br />

her vielmehr ein Zeichen dafür zu sein, dass die Verdrängung animalischer<br />

Triebe noch immer höchst wirksam ist.<br />

„Die Durchdringende Erkenntnis <strong>des</strong>sen, was <strong>Ekel</strong> bereitet, impliziert be-<br />

reits eine erste Selbstüberwindung <strong>des</strong> <strong>Ekel</strong>s im Auserwählten der Erkenntnis: er<br />

muß sich ja auf das Widerwärtige erkennend einlassen.“ (ebd. 254)<br />

Diese Selbstüberwindung gelingt Otto Muehl ohne Frage und dem Kritiker,<br />

der Muehls Kunst per se ablehnt, wohl nicht. Der ‚normale’ Ausstellungsbe-<br />

sucher befindet sich wohl zwischen diesen beiden Extrempolen. Zwar ist<br />

er nicht in die Aktionen eingebunden, aber er besucht die Ausstellung und<br />

überwindet damit eine erste Abscheu, der gelegentlich eine zweite folgt:<br />

„Doch diese erste Überwindung führt geradezu in die Gefahr <strong>des</strong> grossen<br />

<strong>Ekel</strong>s hinein, in die Gefahr der zirkulären Verstärkung von <strong>Ekel</strong>-Sinn und<br />

<strong>Ekel</strong>-Objekt zu einem geschlossenen System. Es bedarf daher einer zwei-<br />

ten Überwindung <strong>des</strong> <strong>Ekel</strong>s am Ende seiner Prozessierung im Feld der Er-<br />

kenntnis. Erst diese zweite Stufe der Verwindung <strong>des</strong> <strong>Ekel</strong>s nennt nietzsche<br />

das Ja-Sagen zum Leben, die ästhetische Legitimation <strong>des</strong> Daseins.“ (ebd.)<br />

Offensichtlich erschließt sich diese zweite Erkenntnisstufe nur den ortho-<br />

doxen Anhängern von Otto Muehls Werk.<br />

Im Jahr 1980 unternimmt der amerikanische Künstler John Duncan ein<br />

Experiment, das er Blind Date, Verabredung mit einer Unbekannten, nennt. Dazu<br />

kauft Duncan im Mai <strong>des</strong> Jahres in Tijuana/Mexiko einen Frauenleichnam<br />

für sexuelle Zwecke, vollzieht mit diesem den Geschlechtsakt, zeichnet die<br />

‚Performance’ auf und unterzieht sich anschließend einer Vasektomie, die<br />

er ebenfalls dokumentiert (Abb. 381):<br />

„I wanted to punish myself as thoroughly as I could. I decided to have a<br />

vasectomy, but that wasn’t enough: I wanted my last potent seed to spent<br />

in a dead body. I made arrangements to have sex with a cadaver. I was bo-<br />

dily thrown out of several sex shops before meeting a man who set me up<br />

with a moritician’s assistant in a Mexican border town […]. Blind Date was<br />

performed in order to torture myself, physically and psychically.“ (Duncan<br />

1997: www.kapelica.org)<br />

Erklärtes Ziel der Performance ist es zu zeigen, „[…] was mit Männern pas-<br />

sieren kann, denen beigebracht wurde, ihre Gefühle zu ignorieren“ (Stiles<br />

1998: 243). nach Kristine Stiles gibt es keinen kläglicheren und tragischeren<br />

380

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!