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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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der Andere<br />

Anthonis van Dyck um 1619) wie mit den unteren Gesellschaftsschichten.<br />

Offensichtlich kann Hogarth den deftigen Wirtshausszenen der Armen<br />

keine Erheiterung abringen, denn seine Darstellungen erscheinen – im Ge-<br />

gensatz zur Aussage von Sabine Poeschel in Bezug auf die Wirtshaussze-<br />

nen <strong>des</strong> 17. Jahrhunderts – nun durchaus sozialkritisch (Abb. 141, Gin-Gasse<br />

von William Hogarth, 1751):<br />

„Das Gintrinken war so verbreitet, daß 1751 ein Gesetz gegen die Herstel-<br />

lung der Spirituose erlassen wurde. Hogarth veröffentlichte [...] Stiche mit<br />

dem Hinweis, sie sollten zur Besserung einiger Laster der unteren Volksschichten<br />

beitragen.“ (Seidel 1987: 1719)<br />

In der Gin-Gasse sind insbesondere die von Hogarth dargestellten Frauen<br />

auffällig, die nicht in der Lage sind, anständig für ihre Kinder zu sorgen: Die<br />

im Vordergrund abgebildete Frau lässt achtlos ihr Kind aus dem Arm fallen,<br />

im rechten Bildanschnitt gibt eine andere Frau ihrem Baby augenscheinlich<br />

Schnaps oder Wein zu trinken. Um sie als negatives Gesellschaftsbeispiel<br />

darzustellen, indem ihre Laster gezeigt werden, greift der Künstler auf das<br />

klassische Bild der vetula zurück, wie man an der vorderen Frau mit zottigen<br />

Haaren, hexenähnlichem Gesicht, entblößter Brust und an Wundmahlen an<br />

ihren Beinen, folglich zusätzlichen Zeichen eines körperlichen Verfalls, gut<br />

erkennen kann.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Silene und untere Bevölke-<br />

rungsschichten bei dem Konsum von Alkohol in aller Regel würdelos und<br />

hässlich dargestellt werden, während Götter und höhere Bevölkerungs-<br />

schichten auch in diesen Abbildungen in aller Regel nicht auf ihre Anmut<br />

verzichten müssen. Erst in den 1920er Jahren mahnen diverse Aufklärungs-<br />

kampagnen, dass Alkohol die Willenskraft lähme und die natürlichen Hem-<br />

mungen besiege, sodass es schwer werde, enthaltsam zu bleiben. Der somit<br />

kommunizierte (sündige) ‚hemmungslose Geschlechtstrieb’ ist, nicht zu-<br />

letzt durch hohe Geburtenraten, sehr lange nur mit den unteren Schichten<br />

in Verbindung gebracht worden und ermahnt im 20. Jahrhundert (endlich)<br />

auch die ‚bessere’ Gesellschaft zur Abstinenz.<br />

Obwohl es in der Kunstgeschichte gelegentlich Werke gibt, die das Leid in<br />

Armut abbilden (Bruegel, Callot), interessierten sich Maler und Kunstbe-<br />

trachter nur in einigen Genrebildern für die tatsächlichen Lebensumstände<br />

der unteren Schichten. Häufig dient ihre Darstellung zur christlichen Mora-<br />

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