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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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Abnorme sexuAlItät<br />

zur Seite gestellt, das Freud später regelmäßig in einem Atemzug mit <strong>Ekel</strong><br />

erwähnt: das Gefühl der Scham. Bei Kant ist Scham der Empfindung <strong>des</strong><br />

<strong>Ekel</strong>s vorgeschaltet. Dieses weitere ‚Geheimniß der natur’ verhindert jede<br />

‚gar zu gemeine Bekanntschaft’ mit der Sexualität; sie vermeidet damit zugleich,<br />

daß diese Bekanntschaft den allenfalls drohenden Wert <strong>des</strong> ‚<strong>Ekel</strong>s’<br />

annimmt.“ (Menninghaus 1999: 183)<br />

Die Schwierigkeit der moralischen Bewertung sexueller Praxis durch Scham<br />

und <strong>Ekel</strong> überträgt sich auch auf die Kunst- und Medienrezeption: Es ist<br />

daher zwischen der als (noch) positiv anzusehenden erotischen Darstellung<br />

auf der einen Seite und der als (schon) negativ angesehenen vulgären/<br />

obszönen Darstellung auf der anderen Seite zu unterscheiden. Die erotische<br />

Darstellung lebt von Andeutungen, regt die Fantasie <strong>des</strong> Betrachters<br />

in Bezug auf eine geschlechtliche Anziehung positiv an. Triebe und sexuelle<br />

Praxis sind hier niemals plakativ dargestellt. Das erotische Werk bildet<br />

gleichzeitig die Grundlage und den Gegenpol für die grenzüberschreitende<br />

Darstellung, als deren Extrem die Visualisierung paraphiler Handlungen<br />

angesehen werden muss. Doch auch die Pornografie steht weit oben auf<br />

der Schock-Skala bildender Kunst:<br />

„In den politischen Reaktionen auf Abject Art spielte […] stets der Vorwurf<br />

der Obszönität und die Nähe zur Pornografie eine entscheidende Rolle.“<br />

(Zimmermann 2003: 19)<br />

Auch Winfried Menninghaus formuliert:<br />

„Was nicht ein rein ästhetisches Wohlgefallen zeitigt, ist […] implizit als unrein<br />

dequalifiziert […]. Andererseits hat der rein ästhetische und idealschöne<br />

Statuenkörper selbst einen Typ sexueller Lust hervorgebracht: die fetischistische<br />

Verehrung eines Idols, das sich einer ‚regulären’ sexuellen Beziehung<br />

entzieht […]. Beide Seiten einer dem rein ästhetischen Körper internen Sexualpolitik<br />

können noch an den heutigen Statuen, den Top-Models, studiert<br />

werden. Eine nackte Ablichtung wird gelegentlich akzeptiert, wenn auch<br />

bereits als eine Art Grenzwert und Ausnahme empfunden; eine Darstellung<br />

in sexueller Aktion bleibt dagegen relativ streng tabuiert und dem niederen<br />

Fach der Porno-Stars vorbehalten. Einzig fetischistische Schaulust als die<br />

direkteste Form eines Übergangs rein ästhetischen in sexuelles Wohlgefallen<br />

wird stets reichlich mitbedient.“ (Menninghaus 1999: 149f)<br />

So werden Akte und unverhüllte Statuenkörper in aller Regel den schönen<br />

Künsten zugeordnet, während bei der Darstellung von Sexualität – insbesondere<br />

von abweichenden sexuellen Praktiken – in aller Regel von Pornografie<br />

gesprochen wird. Tatsächlich wird sie auch in diesem Zusammenhang<br />

immer als Sinnbild einer verabscheuungswürdigen und ekelhaften Sexuali-<br />

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