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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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tivmaßnahme gegen Handlungen, deren intendierte Durchführung der<br />

Verstümmelnde unterstellt und präventiv verhindern will, erscheint sie<br />

grausam; mal sind dies die abgeschlagenen Hände eines Diebes, mal sind<br />

es die Augen eines Architekten, die ausgestochen werden, damit ein gerade<br />

fertig gestelltes Bauwerk konkurrenzlos bleibt, 87 sodass die Art der Ver-<br />

stümmelung einen performativen Charakter aufweist, der für den Betrachter<br />

einen direkten Rückschluss auf die begangene Tat bzw. den ausgeführten<br />

Auftrag <strong>des</strong> Opfers zulässt. Für diese Zerstückelungen gibt es keinen positi-<br />

ven Ritus, der nicht im Grunde eine wirkliche Entweihung <strong>des</strong> Körpers ist,<br />

stellt Winfried Menninghaus fest (vgl. Menninghaus 1999: 494).<br />

Als kulturell bedingte Verstümmelungen, durchaus im Sinne positiver Riten,<br />

sind z. B. Phänomene der Beschneidung, vornehmlich im jüdischen und<br />

muslimischen Kulturraum, die Lotusfußtradition der Chinesen, die Halsver-<br />

längerungen und Unterlippenstreckungen einiger afrikanischer Völker<br />

besonders bekannt. Diese erscheinen jedoch erst durch die Fremdheit der<br />

kulturellen Bräuche als Verstümmelungen <strong>des</strong> Körpers und damit nur aus<br />

der Sichtweise unserer Gesellschaft überhaupt als ekelhaft. Skarifikationen<br />

(künstliche Körpernarben), Piercings und Tätowierungen fallen im weites-<br />

ten Sinne ebenfalls in diese Kategorie und verdeutlichen, dass die Ein-<br />

schreibung von kulturellen und rituellen Schönheitsco<strong>des</strong> nicht zwingend<br />

gegen den Willen <strong>des</strong> Individuums erfolgen.<br />

FrAgmentIerung <strong>des</strong> Körpers<br />

Auch die Medizin hat Einfluss auf das Verhältnis der äußeren Körperform<br />

zum Körperinneren. Die thematische nähe zu Obduktionen als Erkenntnisparadigma<br />

in der Entwicklung der Medizin lässt sich schnell herleiten.<br />

Doch hier wird die Sektion am lebenden Körper begonnen. Durch das<br />

Kriterium <strong>des</strong> ‚lebendigen Leibes’ dieses Kapitels wird der medizinische<br />

Eingriff hier körperteilspezifisch und somit isoliert betrachtet, denn einzelne<br />

Körperteile sind am lebenden Körper austauschbar, wie Transplantationen<br />

und Prothesen beweisen. Selbst wenn dieses Handwerk schonungslos<br />

anmutet: die Medizin zerstückelt im Sinne <strong>des</strong> Patienten und zum Wohl<br />

seiner Gesundheit. Der Zerteilung folgt dann eine optimierte – in der <strong>Ikonografie</strong><br />

manchmal auch eine visionäre – Zusammenfügung, wie sich im<br />

Folgenden zeigen wird. Darüber hinaus ist die Fragmentierungsdarstellung<br />

nicht etwa ein Phänomen der Postmoderne, wie man etwa die Aussagen<br />

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