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Ekel. Ikonografie des Ausgeschlossenen. - Fotostudio Essen

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verwesender leIchnAm<br />

abgebildet. Viele dieser Arbeiten lösen jedoch ebenfalls Schock und <strong>Ekel</strong><br />

aus. Ein früh entstandenes, öffentlich breit diskutiertes Werk <strong>des</strong> impli-<br />

zierten To<strong>des</strong> ist das Environment Zeige deine Wunde von Joseph Beuys aus<br />

dem Jahr 1974/75, welches trotz massiver Proteste 1979 von der Mün-<br />

chener Städtischen Galerie im Lehnbachhaus angekauft wird. nach Heiner<br />

Stachelhaus liegt seitdem das Wort Entartung in der Luft. Das Stück Zeige deine<br />

Wunde sei ein To<strong>des</strong>stück, Versinnbildlichung <strong>des</strong> Memento mori. Es sei<br />

abstoßend und anziehend zugleich (vgl. Stachelhaus 1998: 193). Betrachtet<br />

man die Bestandteile <strong>des</strong> Werkes, unter anderem zwei alte Leichenbahren<br />

aus der Pathologie, zwei Reagenzgläser mit dem Skelett eines Drosselschä-<br />

dels, zwei italienische Zeitungen La Lotta Continua („Der Kampf geht wei-<br />

ter“) und nicht zuletzt den handschriftliche Satz „zeige deine Wunde“ von<br />

Joseph Beuys, manifestiert sich beim Betrachter unweigerlich eine To<strong>des</strong>-<br />

vorstellung. Der Schock, den diese Arbeit auslöst, war, so Stachelhaus,<br />

von Beuys gewollt (vgl. ebd. 195). Interessant erscheint, dass sich bei<br />

Beuys Werk der Rezipienten-Schock massiv erst in dem Moment ein-<br />

stellt, als die Höhe der Ankaufsumme <strong>des</strong> Environments bekannt und<br />

öffentlich diskutiert wird. 50<br />

In der aktuellen Kunst arbeiten Christian Boltanski, Teresa Margolles und<br />

Jenny Holzer mit völlig unterschiedlichen künstlerischen Mitteln – aber<br />

ähnlich abstrakt wie Beuys – zum Tod, welcher ausschließliches oder ein<br />

entscheiden<strong>des</strong> Hauptthema ihrer künstlerischen Arbeit ist.<br />

Christian Boltanski setzt sich seit den 1980er Jahren intensiv mit der To-<br />

<strong>des</strong>problematik auseinander und arbeitet in seinen vielen assoziationsrei-<br />

chen Installationen und Environments mit Fotografien von Menschen, die<br />

zwar zur Zeit der Aufnahme leben, aber den Tod implizieren. Gregory Ful-<br />

ler weist darauf hin, dass seit 1985 der Obertitel seiner sämtlichen Arbei-<br />

ten Leçons de ténèbres, Grablektionen, laute (vgl. Fuller 1994: 112) und bereits<br />

1968 stellt Boltanski fest, dass das Leben unmöglich ist: La vie Impossible ist<br />

der damaliger Titel eines seiner Filme und der gleichnamigen Ausstellung.<br />

Die Rauminstallation Die toten Schweizer stellt Boltanski in vielen Variationen<br />

aus. Die Fotografien, die den zentralen Ausgangspunkt <strong>des</strong> Werkes bilden,<br />

entnimmt der Künstler der regionalen Schweizer Zeitung Le Nouvelliste du<br />

Valais, in der sie als To<strong>des</strong>anzeigen erscheinen (Abb. 100). Die Variationen<br />

150

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